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J. R. Tolkien

Der kleine Hobbit

scanned by goblin

revised by AnyBody

Bilbo Beutlin, ein angesehener Hobbit, läßt sich in ein Abenteuer

verwickeln, das Hobbitvorstellungen bei weitem übersteigt. Nicht nur, daß

er sich auf eine Reise von Jahresdauer begibt, er läßt sich sogar vom

Zwergenkönig Thorin Eichenschild und seinen Genossen als Meisterdieb

unter Vertrag nehmen und verpflichtet sich, den Zwergen bei der

Rückgewinnung ihres geraubten Schatzes zu helfen. Sein Ruf ist dann auch

so ziemlich beim Teufel, als er nach erfolgreich bestandenen Abenteuern

wieder in Hobbingen ankommt. Seine Erfahrungen mit dem Zauberer, den

Zwergen, den Elben, Riesenspinnen und Menschen werden hier

beschrieben.

ISBN: 3423071516

Dtv, Mchn.

Erscheinungsdatum: 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

Inhalt ....................................................................................2

Eine unvorhergesehene Gesellschaft ...................................3

Gebratenes Hammelfleisch................................................32

Eine kurze Rast ..................................................................71

Über den Berg und unter den Berg....................................81

Rätsel in der Finsternis ......................................................94

Raus aus der Bratpfanne, rein ins Feuer ..........................118

Ein sonderbares Quartier .................................................140

Fliegen und Spinnen ........................................................169

Fässer unverzollt ..............................................................201

Ein warmes Willkommen ................................................220

Auf der Türschwelle ........................................................233

Erkundung in der Tiefe ....................................................243

Nicht zu Hause.................................................................267

Feuer und Wasser ............................................................280

Die Wolken sammeln sich...............................................291

Ein Dieb in der Nacht ......................................................302

Die Wolken bersten .........................................................309

Der Weg zurück...............................................................322

Das letzte Kapitel.............................................................332

Eine unvorhergesehene Gesellschaft

In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit. Nicht in

einem schmutzigen, nassen Loch, in das die Enden von

irgendwelchen Würmern herabbaumelten und das nach

Schlamm und Moder roch. Auch nicht etwa in einer trockenen

Kieshöhle, die so kahl war, daß man sich nicht einmal

niedersetzen oder gemütlich frühstücken konnte. Es war eine

Hobbithöhle, und das bedeutet Behaglichkeit.

Diese Höhle hatte eine kreisrunde Tür wie ein Bullauge. Sie

war grün gestrichen, und in der Mitte saß ein glänzend gelber

Messingknopf. Die Tür führte zu einer röhrenförmig langen

Halle, zu einer Art Tunnel, einem Tunnel mit getäfelten

Wänden. Der Boden war mit Fliesen und Teppichen ausgelegt,

es gab Stühle da von feinster Politur und an den Wänden Haken

in Massen für Hüte und Mäntel, denn der Hobbit hatte Besucher

sehr gern. Der Tunnel wand und wand sich, führte aber nicht tief

ins Innere des Berges hinein, den alle Leute viele Meilen weit

rund im Lande schlechthin "den Berg" nannten. Zahlreiche

kleine, runde Türen öffneten sich zu diesem Tunnel, zunächst

auf der einen Seite und dann auch auf der anderen. Treppen zu

steigen brauchte der Hobbit nicht : Schlafräume, Badezimmer,

Keller, Speisekammern (eine Masse von Speisekammern),

Kleiderschränke (ganze Räume standen ausschließlich für die

Unterbringung seiner Garderobe zur Verfügung), Küchen,

Eßzimmer - alles lag an demselben langen Korridor. Die besten

Zimmer lagen übrigens auf der linken Seite (wenn man

hereinkommt), denn ausschließlich diese hatten Fenster,

tiefgesetzte, runde Fenster, die hinaus auf den Garten blickten

und über die Wiesen, die sich gemächlich hinab bis zum Fluß

neigten.

Dieser Hobbit war ein sehr wohlhabender Hobbit, und sein

Name war Beutlin. Die Beutlins hatten seit undenklichen Zeiten

in der Nachbarschaft des "Berges" gelebt, und die Leute hielten

sie für außerordentlich achtbar - nicht nur weil die meisten der

Beutlins reich, sondern weil sie noch nie in ein Abenteuer

verstrickt gewesen waren und nie etwas Unvorhergesehenes

getan hatten. Man konnte im voraus sagen, was ein Beutlin auf

eine Frage antworten würde, ohne daß man sich die Mühe

machen mußte, diese Frage wirklich zu stellen. Dies hier aber ist

eine Geschichte von einem Beutlin, der trotzdem Abenteuer

erlebte und sich selbst über völlig unvorhergesehene Fragen

reden hörte.

Vielleicht verlor er bei seinen Nachbarn an Ansehen, aber er

gewann - nun, ihr werdet ja sehen, ob er am Ende überhaupt

etwas gewann.

Die Mutter unseres Hobbits - was ist eigentlich ein Hobbit?

Ich glaube, daß die Hobbits heut zutage einer Beschreibung

bedürfen, da sie selten geworden sind und scheu vor den

"Großen Leuten", wie sie uns zu nennen pflegen. Sie sind (oder

waren) ungefähr halb so groß wie wir und kleiner als die

bärtigen Zwerge (sie tragen jedoch keine Bärte). Es ist wenig,

sozusagen gar nichts von Zauberei an ihnen, ausgenommen die

alltägliche Gabe, rasch und lautlos zu verschwinden, wenn

großes dummes Volk wie du und ich angetapst kommt und

Radau macht wie Elefanten, was sie übrigens eine Meile weit

hören können. Sie neigen dazu, ein bißchen fett in der

Magengegend zu werden. Sie kleiden sich in leuchtende Farben

(hauptsächlich in Grün und Gelb). Schuhe kennen sie überhaupt

nicht, denn an ihren Füßen wachsen natürliche, lederartige

Sohlen und dickes, warmes, braunes Haar, ganz ähnlich wie das

Zeug auf ihrem Kopf (das übrigens kraus ist). Die Hobbits

haben lange, geschickte, braune Finger, gutmütige Gesichter,

und sie lachen ein tiefes, saftiges Lachen (besonders nach den

Mahlzeiten; Mittagessen halten sie zweimal am Tag, wenn sie

es bekommen können). Nun, das sei vorerst genug, und wir wollen

fortfahren.

Bilbo Beutlin hieß unser Hobbit, und seine Mutter war die

berühmte Belladonna Tuk, eine der drei ausgezeichneten

Töchter des alten Tuk. Der alte Tuk war das Haupt der Hobbits

die jenseits des "Wassers" wohnten, des schmalen Flusses am

Fuß des Berges. Es wurde oft gemunkelt, daß vor langer Zeit

einmal ein Tuk eine Fee geheiratet hätte. Das war natürlich

Unsinn. Aber sicherlich war bei ihnen nicht alles hobbitmäßig.

Denn ab und zu ging ein Angehöriger der Tuks fort und stürzte

sich in Abenteuer. Sie verschwanden heimlich, und die Familie

vertuschte es. Tatsache ist jedenfalls, daß die Tuks nicht ganz so

respektabel waren wie die Beutlins, obgleich sie unzweifelhaft

reicher waren.

Nicht, daß Belladonna Tuk jemals in irgendwelche Abenteuer

verwickelt gewesen wäre, nachdem sie die Frau von Mister

Bungo Beutlin geworden war. Bungo, Bilbos Vater, baute

(teilweise mit ihrem Geld) für sie die kostspieligste

Hobbithöhle, die jemals unterhalb oder oberhalb des Berges

oder jenseits des Wassers gebaut worden war. Und dort lebten

sie bis an das Ende ihrer Tage. Indessen ist es wahrscheinlich,

daß Bilbo, ihr einziger Sohn, obgleich er doch aussah und sich

genauso benahm wie eine zweite Ausgabe seines grundsoliden

und behäbigen Vaters, irgend etwas Wunderliches in seinen

Anlagen von der Tukseite übernommen hatte. Es war etwas, das

nur auf die Chance wartete, um ans Licht zu kommen. Die

Chance ergab sich erst, als Bilbo Beutlin etwa 5o Jahre alt

geworden war, in der wunderschönen Hobbithöhle wohnte, die

sein Vater erbaut, und sich augenscheinlich zur Ruhe gesetzt

hatte.

Eines Morgens, vor langer Zeit, in der großen Stille, als es

noch wenig Geräusche und mehr Grün gab, als die Hobbits noch

zahlreich und glücklich waren und Bilbo Beutlin nach dem

Frühstück vor seiner Tür eine enorm lange Holzpfeife rauchte,

die nahezu bis zu seinen wolligen Zehen reichte (die immer

sauber gebürstet waren), da ereignete sich ein merkwürdiger

Zufall - Gandalf kam vorbei. Gandalf!

Wenn ihr auch nur ein Viertel von dem gehört hättet, was ich

über ihn gehört habe (und ich habe nur sehr wenig gehört von

alldem, was es da zu hören gab), so würdet ihr bestimmt höchst

verwunderliche Geschichten erwarten. Geschichten und

Abenteuer schossen nur so auf an allen Wegen, die er jemals

gezogen war. Seit sein Freund, der alte Tuk, gestorben, war er

nun schon viele Jahre nicht mehr hier im Land unterhalb des

Berges gesehen worden. Wirklich, die Hobbits hatten fast

vergessen, wie er aussah. Seine Geschäfte hatten ihn über den

Berg und über das Wasser geführt, als sie selbst noch kleine

Hobbitjungen und Hobbitmädchen waren.

Alles, was also der keineswegs mißtrauische Bilbo an diesem

Morgen sah, war ein kleiner, alter Mann mit einem Stab, hohem,

spitzem blauem Hut, einem langen grauen Mantel, mit einer

silbernen Schärpe, über die sein langer weißer Bart hing, ein

kleiner, alter Mann mit riesigen schwarzen Schuhen.

"Guten Morgen", sagte Bilbo, und er meinte es ehrlich. Die

Sonne schien, und das Gras war grün.

Aber Gandalf schaute ihn scharf unter seinen buschigen

Augenbrauen hervor an.

"Was meint Ihr damit?" fragte er. "Wünscht Ihr mir einen

guten Morgen, oder meint Ihr, daß dies ein guter Morgen ist,

gleichviel, ob ich es wünsche oder nicht. Meint Ihr, daß Euch

der Morgen gut bekommt oder daß dies ein Morgen ist, an dem

man gut sein muß?"

"Alles auf einmal", sagte Bilbo, "und ein sehr feiner Morgen

für eine Pfeife Tabak vor der Tür obendrein. Wenn Ihr eine

Pfeife bei Euch habt, dann setzt Euch her und bedient Euch!

Nichts drängt zur Eile, wir haben noch den ganzen Tag vor

uns!" Bilbo setzte sich auf die Bank vor der Tür, kreuzte die

Beine und blies einen wundervollen grauen Ring in die Luft, der

heil und ohne auseinanderzuwehen über den Berg schwebte.

"Sehr schön", sagte Gandalf. "Aber ich habe heute morgen

keine Zeit, Ringe zu blasen. Ich suche jemanden für ein

Abenteuer, das bestanden sein will, und es ist außerordentlich

schwierig, jemanden dafür zu finden. "

"Das kann ich mir denken. In dieser Gegend! Wir sind ruhige

Leute hier und suchen keine Abenteuer! Ein ärgerlicher,

störender, unbehaglicher Zeitvertreib. So etwas verspätet nur die

Mahlzeiten. Ich kann nicht verstehen, was jemand daran findet",

sagte unser Mister Beutlin, schob seinen Daumen hinter die

Hosenträger und blies einen noch dickeren Ring in die Luft.

Dann holte er seine Morgenzeitung heraus und begann zu lesen,

gab einfach vor, keine Notiz mehr von dem alten Mann zu

nehmen. Der war offensichtlich nicht von seiner Art.

Hoffentlich ging er jetzt. Aber er rührte sich nicht. Er stand da,

stützte sich auf seinen Stock und betrachtete den Hobbit, ohne

ein Wort zu sagen, bis es Bilbo ungemütlich und er sogar ein

bißchen ärgerlich wurde.

"Guten Morgen!" sagte Bilbo schließlich. "Wir wollen hier

keine Abenteuer, vielen Dank! Ihr könnt es hinter dem Berg

oder jenseits des Wassers versuchen!" Damit meinte er, die

Unterhaltung wäre beendet.

"Was Ihr nicht alles unter 'guten Morgen' versteht", sagte

Gandalf "Jetzt meint Ihr, daß Ihr mich damit loswerden könntet,

daß es gut wäre, wenn ich verschwände."

"Keineswegs, keineswegs, mein bester Herr - wie heißt Ihr

eigentlich? "

"Ja freilich, mein bester Herr! Ich weiß sehr gut, wie Ihr heißt,

Mister Bilbo Beutlin. Und Ihr kennt auch meinen Namen,

obgleich Ihr nicht ahnt, daß ausgerechnet ich dazu gehöre : Ich

bin Gandalf, und Gandalf, denkt nur, das bin ich! Reizend, daß

Belladonnas Sohn mich mit einem 'Guten Morgen' wegscheuchen

will, als ob ich Knöpfe an der Tür verkaufte!"

"Gandalf, Gandalf. Du lieber Himmel, doch nicht der

wandernde Zauberer, der dem alten Tuk ein Paar magischer

Diamantklammern verehrte, die sich von selbst schlossen und

sich niemals ohne Befehl lösten? Keiner verstand es wie er,

beim Kaffeetrinken solch wunderbare Geschichten über

Drachen zu erzählen, über Kobolde und Riesen, über gerettete

Prinzessinnen und über das unvorhergesehene Glück von

Söhnen armer Witwen. Doch nicht Gandalf, der so

ausgezeichnete Feuerwerke abzubrennen verstand! Ja, daran

erinnere ich mich! Der alte Tuk arrangierte sie zur

Sommersonnenwende. Großartig, toll! Sie schossen auf wie

mächtige Lilien, wie Löwenmaul und Goldregen aus Feuer. Den

ganzen Abend noch hingen sie in der Dämmerung." Ihr werdet

schon gemerkt haben, daß Mister Beutlin nicht ganz so

prosaisch war, wie er es von sich selbst annahm.

überdies war er in Blumen geradezu vernarrt. "Meine Güte",

fuhr er fort, "doch nicht der Gandalf, der es auf dem Gewissen

hat, daß so viele brave Burschen und Mädchen einfach ins Blaue

gingen, verrückte Abenteuer zu erleben. Beim Bäumeklettern

angefangen bis zur Reise auf Schiffen, die hinüber zur anderen

Seite segelten? Der Himmel sei mir gnädig, so ein Leben schien

aber - ich meine, Ihr habt in dieser Gegend allerhand

angerichtet. Ich bitte um Verzeihung, aber ich hatte keine

Ahnung, daß Ihr noch immer solchen Unfug macht."

"Was soll ich denn sonst machen?" sagte der Zauberer.

"Und ich bin froh, daß Ihr Euch noch an einiges erinnert. Ihr

scheint beispielsweise meine Feuerwerke in gutem Andenken

behalten zu haben, und das ist gewiß nicht ohne Hoffnung. In

der Tat, um Eures seligen Großvaters Tuk und der armen

Belladonna willen gebe ich Euch gern, um was Ihr mich gebeten

habt."

"Verzeihung, habe ich denn um.etwas gebeten? "

"Natürlich habt Ihr! Zweimal sogar: Um meine Verzeihung

habt Ihr gebeten. Die gebe ich Euch. Und außerdem gehe ich

sogar noch weiter und schicke Euch in dies besagte Abenteuer.

Das ist sehr erheiternd für mich und ausgezeichnet für Euch und

nützlich ist es außerdem - das heißt, wenn Ihr es wohlbehalten

übersteht."

"Tut mir leid. Ich wünsche keine Abenteuer. Vielen Dank,

und heute schon gar nicht. Guten Morgen, mein Herr! Aber

bitte, kommt zum Tee, jederzeit, wie es Euch paßt - warum nicht

morgen? Auf Wiedersehen!" Damit drehte sich der Hobbit um,

verschwand hinter der runden grünen Tür und schloß sie, so

schnell er es, ohne unhöflich zu erscheinen, wagen konnte, denn

Zauberer sind schließlich Zauberer.

Warum in aller Welt bat ich ihn bloß zum Tee! sagte er vor

sich hin, als er in die Speisekammer ging.

Zwar hatte er gerade gefrühstückt, aber er dachte, daß ein

Kuchen oder zwei und ein Schluck dazu ihm guttäten nach

diesem Schrecken.

Gandalf stand inzwischen noch immer vor der Tür und lachte

lange und leise. Nach einer Weile trat er näher, und mit der

Stockspitze kratzte er ein wunderliches Zeichen auf die schöne

grüne Haustür.

Dann zog er davon, gerade als der Hobbit seinen zweiten

Kuchen beendet hatte und erleichtert aufatmete, weil er glaubte,

daß er nun glücklich alle Abenteuer vermieden hätte.

Am nächsten Tag hatte er Gandalf fast vergessen. Ein gutes

Gedächtnis war nicht seine Stärke, es sei denn, er benutzte sein

Notizbuch. Dann hätte er vielleicht eingetragen: Gandalf, Tee,

Mittwoch. Aber gestern war er dazu viel zu verwirrt gewesen.

Kurz vor der Teezeit hörte Bilbo ein furchtbares Gebimmel an

der Haustür. Da erinnerte er sich! Er rannte zur Küche, setzte

den Teekessel auf, holte eine zweite Tasse und Untertasse und

einen oder zwei Extrakuchen und lief zur Tür. "Ich bin ganz

untröstlich, daß ich Euch warten ließ" , wollte er

sagen, als er sah, daß keineswegs Gandalf vor ihm stand. Es war

ein Zwerg mit einem blauen Bart, den er hinter den Goldgürtel

gesteckt hatte, mit leuchtenden Augen unter seiner

dunkelgrünen Kapuze. Kaum war die Tür geöffnet, so drängelte

er sich auch schon hinein, gerade als ob er erwartet worden

wäre. Er hing seinen Kapuzenmantel an den nächsten Haken,

verbeugte sich und sagte : "Dwalin, zu Euren Diensten! "

"Bilbo Beutlin, zu Euren Diensten", antwortete der Hobbit, zu

überrascht, um im Augenblick irgendwelche Fragen zu stellen.

Als die darauffolgende Pause unangenehm wurde, fügte er

hinzu: "Ich wollte gerade meinen Tee nehmen, bitte, trinkt eine

Tasse mit." Das war vielleicht ein bißchen steif, aber er meinte

es ehrlich. Und was würdet ihr tun, wenn ein uneingeladener

Zwerg plötzlich hereingeschneit käme und seine Sachen an eure

Garderobe hinge, ohne ein Wort der Erklärung.

Sie saßen nicht lange am Tisch, genauer gesagt, sie hatten es

kaum bis zum dritten Kuchen gebracht, als ein neues, noch

lauteres Gebimmel Bilbo aufschreckte.

"Entschuldigt mich!" sagte er und ging zur Tür.

"Habt Ihr schließlich doch noch hierhergefunden", wollte er

diesmal Gandalf fragen. Aber es war nicht Gandalf. Statt

Gandalf stand ein sehr ehrwürdig aussehender Zwerg auf der

Schwelle, der einen weißen Bart und eine purpurrote Kapuze

trug. Auch er trappte herein, kaum daß die Tür geöffnet war,

gerade als ob er eingeladen sei.

"Wie ich sehe, kommen sie schon an", sagte er, als er Dwalins

grüne Kapuze am Haken sah. Er hängte seine purpurrote

daneben, und: "Balin, zu Euren Diensten! " setzte er hinzu, die

Hand auf der Brust.

"Schönen Dank!" erwiderte Bilbo, der nach Luft schnappte.

Das war zwar nicht korrekt, aber "sie kommen schon - das

hatte ihn ernstlich verwirrt. Er hatte gern Besuch, aber lieber

war es ihm, wenn er den Besuch kannte, bevor er ankam. Auch

zog er es vor, Besucher selbst einzuladen. Es kam ihm der

schreckliche Gedanke, daß die Kuchen ausgehen könnten, und

dann - als Gastgeber kannte er seine Pflichten und erfüllte sie

sogar in schmerzlichen Fällen -, und dann mußte er selbst ohne

Kuchen bleiben.

"Kommt herein und trinkt einen Tee mit", brachte er dennoch

heraus, nachdem er allerdings tief Atem geholt hatte.

"Ein kleines Bier wäre mir lieber, wenn es Euch nichts

ausmacht, mein guter Herr", sagte Balin mit dem weißen Bart.

"Für Kuchen wäre ich dankbar - Kümmelkuchen, ja, das wäre

das Richtige, wenn es solchen bei Euch gibt!"

"Massenweise!" hörte sich Bilbo zu seiner eigenen

überraschung antworten. Er verschwand im Keller, um einen

Krug mit Bier zu füllen, und dann in der Speisekammer, wo er

zwei wundervolle runde Kümmelkuchen holte, die er erst diesen

Nachmittag gebacken hatte als leckere Happen zum Abendbrot.

Als er zurückkehrte, unterhielten sich Dwalin und Balin am

Tisch wie alte Freunde (tatsächlich waren sie Brüder). Bilbo

setzte das Bier und die Kuchen nicht gerade sacht vor sie hin, da

läutete die Glocke schon wieder Sturm, einmal und noch einmal.

Ja, diesmal ist es sicher Gandalf, dachte er, als er den Gang

entlangschnaufte. Aber es war nicht Gandalf. Es waren zwei

weitere Zwerge, beide mit blauen Kapuzen, silbernen Gürteln

und gelben Bärten, und jeder trug einen Sack mit Werkzeugen

und einen Spaten. Sie sprangen herein, kaum daß die Tür einen

Spalt geöffnet war. Nun, Bilbo war kaum noch überrascht.

"Was kann ich tun für euch, meine Zwerge?" fragte er.

"Kili, zu Euren Diensten", sagte der eine. "Und Fili", fügte der

andere hinzu. Damit zogen sie ihre blauen Kapuzenmäntel aus

und verbeugten sich.

"Gleichfalls : zu euren Diensten und den Diensten eurer ganzen

Familie!" erwiderte Bilbo. Diesmal erinnerte er sich

rechtzeitig an die guten Sitten.

"Ich sehe, Dwalin und Balin sind bereits hier", sagte Kili.

"Das wird hier ein schönes Gedränge heute abend geben."

Gedränge! dachte Mister Beutlin. Das ist ja ein scheußlicher

Gedanke! Ich muß mich eine Minute hinsetzen, mich erst mal

sammeln und einen kleinen Schluck nehmen! Nun, er hatte

kaum ein Schlückchen getrunken - in der Ecke, während die vier

Zwerge rund um den Tisch saßen und über Erzbergwerke und

Gold sprachen, über Verdruß mit den Orks und die

Verwüstungen der Drachen und über eine Menge anderer

Unglücksfälle, die er nicht verstand und die er auch gar nicht

verstehen wollte, denn sie klangen ihm viel zu abenteuerlich -,

als, dingdongdadingdang, seine Glocke schon wieder ging, als

ob ein nichtsnutziger Hobbitjunge versuchte, den Griff

abzureißen.

"Da ist wohl einer an der Tür", sagte er blinzelnd.

"Einer? Wahrscheinlich vier, dem Geräusch nach zu urteilen",

entgegnete Fili. "übrigens sahen wir sie hinter uns herkommen. "

Der arme kleine Hobbit setzte sich in der Halle nieder und

nahm seinen Kopf in die Hände, wunderte sich, was geschehen

war und was weiter geschehen würde und ob die Gesellschaft

sich auch noch zum Abendbrot einladen würde. Dann schellte

die Glocke lauter denn je, und er mußte zur Tür rennen. Aber es

waren nicht vier, es waren fünf Ein anderer war dazugekommen,

während Bilbo sich noch in der Halle wunderte. Er hatte kaum

den Türknopf gedreht, als auch schon alle im Gang standen, sich

verbeugten und "zu Euren Diensten" sagten, einer nach dem

anderen. Dori, Nori, Ori, Oin und Gloin waren ihre Namen, und

sehr schnell hingen zwei purpurrote Kapuzenmäntel, ein grauer,

ein brauner und ein weißer an den Haken, und die Kerle steckten

ihre breiten Hände in die goldenen und silbernen Gürtel und

gingen los, um sich mit den anderen zu vereinen.

Nun war es wirklich beinahe ein Gedränge geworden. Einige

riefen nach Bier, andere nach Porter, einer nach Kaffee und alle

nach Kuchen, so daß der Hobbit für eine Weile durchaus

beschäftigt war.

Gerade hatte er einen großen Topf Kaffee in den offenen

Kamin gesetzt, die Kuchen waren übrigens ausgegangen, und

die Zwerge hatten sich auf eine Runde schöner mit Butter

bestrichener Weizenbrötchen verlegt, da kam ein lautes Pochen.

Kein Gebimmel, sondern ein hartes Pattpatt! von der

wunderschönen grünen Tür unseres Hobbits. Irgendwer klopfte

dort mit einem Stock an!

Bilbo rannte den Gang entlang. Er war wütend und wirr

zugleich. Dies war der widerwärtigste Mittwoch, den er je erlebt

hatte. Mit einem Ruck riß er die Tür auf - da fielen sie alle

herein, einer auf den anderen. Noch mehr Zwerge, noch einmal

vier! Und da stand auch Gandalf hinter ihnen. Er lehnte sich auf

seinen Stock und lachte. Er hatte eine tiefe Delle in die

wunderschöne Tür geschlagen und auf diese Weise das

Geheimzeichen beseitigt, das er einen Morgen zuvor dort

angebracht hatte.

"Vorsichtig! Vorsichtig!" sagte er. "Das ist doch sonst nicht

Eure Art, Bilbo, Freunde warten zu lassen und dann die Tür mit

einem Ruck aufzuziehen. Laßt mich vorstellen: Bifur, Bofur,

Bombur und besonders Thorin! "

"Zu Euren Diensten", sagten Bifur, Bofur und Bombur, die

sich in einer Reihe aufgestellt hatten. Dann hängten sie zwei

gelbe und eine blaßgrüne Kapuze auf, und es war auch eine

himmelblaue mit einer langen silbernen Quaste dabei. Sie

gehörte Thorin, einem überaus berühmten Zwerg. Es war der

große Thorin Eichenschild selber, und es behagte ihm

keineswegs, daß er flach auf Bilbos Fußmatte hinplumpste und

Bifur, Bofur und Bombur auf ihn drauffielen. Denn Bombur war

ungewöhnlich fett und schwer. Thorin blieb infolgedessen sehr

kühl und sagte nicht "zu Diensten". Aber der arme Mister Beutlin

bat so oft um Entschuldigung, daß Thorin schließlich so

etwas wie "es macht fast gar nichts" brummte und sogar

aufhörte, länger ärgerlich dreinzuschauen.

"Jetzt sind wir alle hier", sagte Gandalf, schaute die Reihe der

dreizehn Kapuzen entlang - die besten Gesellschaftskapuzen

übrigens, die zur Verfügung standen - und hängte seinen

eigenen Hut an den Haken. "Eine wirklich lustige

Versammlung. Ich hoffe, es ist noch etwas zu essen und zu

trinken übrig für die Zuspätkommer. Wie, Tee? Nein, vielen

Dank! Ein bißchen Rotwein, das wäre das Richtige für mich. "

"Auch für mich", fügte Thorin hinzu.

"Und Himbeermarmelade und Apfeltörtchen", sagte Bifur.

"Und Rosinenkuchen und Käse", sagte Bofur.

"Und schöne Pasteten und Salat", ergänzte Bombur.

"Und noch ein paar Kuchen - und Bier - und Kaffee, wenn es

Euch nichts ausmacht", riefen die anderen Zwerge durch die

Tür.

"Setzt ein paar Eier auf, Ihr seid wirklich ein großartiger

Kerl", rief Gandalf hinter ihm her, als der Hobbit zu seinen

Vorratskammern ging. "Und bringt kaltes Hühnchen mit und

Essiggurken!"

Es scheint, er kennt sich besser in meiner Speisekammer aus

als ich selbst, dachte Mister Beutlin, der sich völlig überrumpelt

fühlte und sich wunderte, in welch ein elendes Abenteuer er

geradewegs in seinem eigenen Haus hineingeraten war. Mit der

Zeit hatte er sämtliche Flaschen und Schüsseln, Messer und

Gabeln, Gläser und Platten und Löffel hoch auf riesige Tabletts

gehäuft. Ihm war sehr heiß, er sah rot aus, und er war richtig

ärgerlich.

"Zum Teufel mit diesen Zwergen. rief er laut. "Warum helfen

sie nicht ein bißchen?" Jetzt traue einer seinen Augen! Da

standen Balin und Dwalin in der Küchentür und Kili und Fili

dahinter, und bevor er noch "alle Wetter!" sagen konnte, hatten

sie die Tabletts schon fortgetragen, ein paar kleine Tische ins

Empfangszimmer gesetzt, und alles war ordentlich serviert.

Gandalf saß obenan, die dreizehn Zwerge saßen ihm zur Seite.

Bilbo aber hockte auf einem Stuhl am Kamin und knabberte an

einem Keks (der Appetit war ihm ziemlich vergangen). Er

versuchte ein Gesicht aufzusetzen, als ob dies alles vollkommen

in Ordnung sei und in keiner Weise ein Abenteuer für ihn. Die

Zwerge aßen und aßen und sprachen und sprachen, und die Zeit

ging dahin. Schließlich schoben sie ihre Stühle zurück, und

Bilbo machte eine Bewegung, als wolle er die Teller und Gläser

einsammeln.

"Ich denke, ihr bleibt noch zum Abendbrot", sagte er in

seinem höflichsten und ungezwungensten Ton.

"Natürlich!" erwiderte Thorin. "Sogar noch länger. Es wird

spät werden, bis wir alle unsere Geschäfte erledigt haben. Aber

zuerst brauchen wir ein bißchen Musik. Räumt ab!"

Daraufhin sprangen zwölf Zwerge auf - ausgenommen

Thorin, der eine viel zu hochgestellte Persönlichkeit war. Er

blieb zu einem Schwatz mit Gandalf zurück. Die Zwerge

stapelten das Geschirr zu hohen Turmbauten aufeinander. Sie

warteten nicht lang auf Teebretter, sondern balancierten Türme

von Tellern (jeder mit einer Flasche obendrauf) mit einer Hand,

während der Hobbit quiekend vor Furcht hinter ihnen herlief :

"Bitte, seid vorsichtig! Bitte, bemüht euch nicht, ich mache das

gern allein!"

Aber die Zwerge begannen zu singen : "Schmeißt mit Tellern,

soviel euch paßt, biegt die Messer und Gabeln krumm, tut, was

Bilbo Beutlin haßt, verbrennt die Korken, haut Flaschen um!

Pikt ins Tischtuch und tretet ins Fett, gießt die Milch auf den

Küchenflur! Knochen im Bett sind besonders nett, gießt den

Wein in die Kuckucksuhr! Jetzt die Gläser in den Müll hinein,

stampft drauf, stampft und mit Gesang! Sind die Schüsseln nicht

kurz und klein, kegelt sie munter den Gang entlang! Alles, was

Bilbo Beutlin haßt! Hört ihn bloß : Vorsichtig angefaßt!"

Natürlich machten sie nichts so Gräßliches, sondern spülten

das ganze Geschirr und stellten es sauber weg, schnell wie der

Blitz, während der Hobbit sich in der Mitte der Küche um sich

selbst drehte und versuchte, sie dabei zu beaufsichtigen.

Dann kehrten sie zurück und fanden Thorin mit den Füßen auf

dem Kamingitter eine Pfeife rauchen.

Dabei blies er die riesigsten Ringe in die Luft und befahl

ihnen zu fliegen, wohin er wollte. Manche stiegen den Kamin

hinauf oder hinter die Uhr auf dem Kaminsims, andere krochen

unter den Tisch oder zogen unter der Decke immer im Kreis

herum. Wohin die Ringe auch schwebten, so waren sie doch nie

schnell genug, um Gandalf zu entkommen. Pop! Schon sandte er

einen kleineren Rauchring aus seiner kurzen Tonpfeife

geradewegs durch jeden von Thorins Ringen. Dann schien sich

Gandalfs Rauchring über den Spaß zu freuen. Er kam zurück

und schwebte eine Weile über des Zauberers Haupt. Er hatte

schon eine ganze Wolke von solchen Ringen über sich, und das

ließ ihn in der Tat sehr zauberisch aussehen. Bilbo stand stumm

dabei und sah zu. Er liebte Rauchringe. Aber er errötete bei dem

Gedanken, wie stolz er gestern morgen auf jene Rauchringe

gewesen war, die er mit dem Wind hinaus und über den Berg

gesandt hatte.

"Jetzt ein bißchen Musik", sagte Thorin. "Packt eure

Instrumente aus!"

Kili und Fili liefen zu ihren Rucksäcken und brachten kleine

Fiedeln. Dori, Nori und Ori holten Flöten aus den

unergründlichen Taschen ihr er Kapuzenmäntel. Bombur holte

eine Trommel aus der Halle.

Bifur und Bofur gingen ebenfalls hinaus und kamen mit

Klarinetten zurück, die sie bei den Spazierstöcken abgestellt

hatten. Dwalin und Balin sagten: "Entschuldigung, unsere

Instrumente liegen noch vor der Tür."

"Dann bringt auch meines mit!" rief Thorin ihnen zu. Sie

kamen zurück mit Bratschen, die größer als sie selbst waren,

und mit Thorins in grünes Tuch eingeschlagener Harfe. Es war

eine wunderbare goldene Harfe, und als Thorin sie schlug,

begann die Musik so plötzlich und süß, daß Bilbo alles andere

vergaß. Er wurde in dunkle Lande hinweggeführt, unter

seltsame Monde, weit fort über das Wasser, sehr weit von seiner

Hobbithöhle unter dem Berg entfernt.

Das Dunkel drang durch die kleinen Fenster, die in die Flanke

des Berges eingelassen waren, in den Raum. Das Feuer

flackerte. Es war April. Und noch immer spielten sie, während

der Schatten von Gandalfs Bart unruhig über die Wände

geisterte.

Die Dunkelheit füllte den ganzen Raum, und das Feuer

verlöschte. Die Schatten ertranken, und immer noch spielten sie.

Plötzlich begann erst einer, dann ein anderer, während sie

weiterspielten, einen tiefen, kehligen Gesang von Zwergen in

den verborgenen Landschaften ihrer alten Heimat. Und dies sind

gleichsam Bruchstücke ihres Liedes, wenn es ohne Musik und

Reim überhaupt ihrem Gesange gleichen kann : "Weit über die

kalten Nebelberge, zu den tiefen Verliesen und uralten Höhlen

müssen wir fort, ehe der Tag anbricht, das bleiche verzauberte

Gold suchen.

Die Zwerge der grauen Zeiten wußten mächtigen Zauber,

während die Hämmer wie klingende Glocken erklangen, im

Unterirdischen, wo die dunklen Geheimnisse schlafen, in den

großen Höhlen unter den kahlen Hügeln.

Für vergessene Könige und Elfenfürsten schufen sie

gleißende, güldene Schätze, schmiedeten, schafften, fingen das

Licht ein in den Edelsteinen dunkler Schwertgriffe.

Auf silberne Halsketten reihten sie glitzernde Sterne auf, in

Kronen fingen sie Drachenfeuer ein, in geflochtenen Drähten

verstrickten sie das Licht von Mond und Sonne.

Weit über die kalten Nebelberge müssen wir fort, ehe der Tag

anbricht, zu den tiefen Verliesen und uralten Höhlen und unser

lang vergessenes Gold suchen.

Die Kiefern rauschten auf der Höhe, und die Winde stöhnten

in der Nacht.

Das Feuer war rot und barst wie ein Glutball.

Die Bäume brannten hell wie Fackeln.

Dann tosten die Glocken unten im Tal, und die Menschen

schauten mit fahlen Gesichtern herauf : der Zorn des Drachen

entbrannte noch heller als Feuer, brach die Türme nieder und die

zerbrechlichen Häuser.

Und der Berg rauchte unter dem Mond, und die Zwerge

hörten den Schritt des Schicksals.

Sie flohen aus ihrer Halle, um sterbend zu fallen, unter

Drachentatzen, unter dem Mond.

Weit über die grimmigen Nebelberge, zu den tiefen Verliesen

und düsteren Hallen müssen wir fort, ehe der Tag anbricht, und

unsere Harfen, unser Gold heimholen. "

Während sie so sangen, verspürte der Hobbit in sich die Liebe

zu den wunderbaren Schätzen, die mit soviel Mühe und

Geschick geschaffen worden waren, und wie durch einen Zauber

entstand in ihm ein wütender, gieriger Wunsch, der auch die

Herzen der Zwerge erfüllte. Gleichzeitig erwachte etwas von der

Tukseite in ihm. Er sehnte sich danach, hinauszuziehen und die

großen Gebirge zu sehen und die Kiefern und Wasserfälle

rauschen zu hören, die Höhlen auszukundschaften und ein

Schwert zu tragen statt eines Spazierstocks. Er schaute aus dem

Fenster. Die Sterne standen an einem schwarzen Himmel hoch

über den Bäumen. Er dachte an die Juwelen der Zwerge, die in

dunklen Gewölben schimmerten. Plötzlich sprang am Horizont

jenseits des Wassers eine große Flamme auf (vielleicht hatte

jemand ein Feuer entzündet), und er mußte an plündernde

Drachen denken, die sich auf seinem ruhigen Berg niederließen

und alles in Flammen erstickten. Da schauderte es ihn, und sehr

schnell war er wieder Mister Beutlin von Beutelsend (Unter dem

Berg).

Zitternd stand er auf. Gern wollte er die Lampe holen. Aber

noch lieber wäre er unter diesem Vorwand nur hinausgegangen;

dann hätte er sich hinter den Bierfässern im Keller versteckt und

wäre erst hervorgekommen, wenn alle Zwerge auf und davon

waren. Plötzlich merkte er, daß die Musik und der Gesang

aufgehört hatten und daß sie ihn alle anschauten mit Augen, die

im Dunkeln schimmerten.

"Wohin wollt Ihr?" fragte Thorin in einem Ton, der

anzuzeigen schien, daß er unseres Hobbits Absichten erraten

hatte.

"Wie wäre es mit einem bißchen Licht?" sagte Bilbo

entschuldigend.

"Wir lieben die Dunkelheit", antworteten die Zwerge.

"Dunkelheit für die dunklen Geschäfte! Bis zur Dämmerung

sind es noch viele Stunden. "

"Natürlich", sagte Bilbo und setzte sich rasch wieder hin. Er

verfehlte aber den Stuhl und setzte sich auf das Kamingitter,

wobei er mit einem Krach den Schürhaken und die Schaufel

umwarf.

"Ruhe!" sagte Gandalf. "Hört jetzt Thorins Rede!" Und

Thorin begann: "Gandalf, Zwerge und Mister Beutlin! Wir

haben uns im Hause unseres Freundes und Mitverschwörers

zusammengefunden, dieses ausgezeichneten und wagemutigen

Hobbits - mögen die Haare an seinen Zehen niema ls ausfallen!

Alles Lob seinem Wein und seinem Bier!" Er machte eine

Atempause, um dem Hobbit Gelegenheit zu einer höflichen

Bemerkung zu geben. Aber seine Höflichkeit war gänzlich

verloren, denn der arme Bilbo Beutlin machte nur protestierend

seinen Mund auf und zu. Man hatte ihn wagemutig genannt und

noch schlimmer: Mitverschwörer. Aber Bilbo bekam nicht

einmal ein Krächzen heraus, so verstört war er.

Also fuhr Thorin fort : "Wir sind zusammengekommen, um

unsere Pläne, unsere Wege, unsere Mittel, unsere Politik und

unsere Listen zu besprechen. Wir wollen bald, noch ehe der Tag

anbricht, unsere lange Reise beginnen, eine Reise, von der

einige von uns oder vielleicht sogar alle (ausgenommen

natürlich unser Freund und Ratgeber, der erfindungsreiche

Zauberer Gandalf) nie mehr zurückkehren werden. Es ist ein

feierlicher Augenblick. Unsere Absicht, das darf ich annehmen,

ist allen wohlbekannt. Für den hochehrenwerten Mister Beutlin,

aber auch für den einen oder anderen von den jüngeren Zwergen

(ich denke hier beispielsweise an Kili und Fili) erfordert unsere

augenblickliche Lage einige kürzere Erläuterungen..."

Dies war Thorins Stil. Er war eine berühmte

Zwergenpersönlichkeit. Hätte man es erlaubt, so wäre er in

diesem Stil vermutlich fortgefahren, bis er die Puste verloren

hätte - ohne irgendwem irgend etwas zu erzählen, das er nicht

längst schon wußte. Aber er wurde mitleidslos unterbrochen.

Der arme Bilbo konnte es nicht länger ertragen. Bei dem Wort

"nie mehr zurückkehren" spürte er einen Schrei in sich

aufsteigen, und sehr bald brach er aus wie das Pfeifen einer

Lokomotive, die aus einem Tunnel herauskommt. Alle Zwerge

sprangen auf und stießen dabei den Tisch um. Gandalf

entzündete ein blaues Licht am Ende seines Zauberstabes, und

in seinem Gefunkel konnte man den armen Hobbit auf dem

Kaminvorleger knien sehen, wabbelig wie Sülze, die zu

schmelzen beginnt. Dann fiel er platt auf den Boden und rief in

einem fort: "Vom Blitz erschlagen, vom Blitz erschlagen!" Und

das war alles, was sie für eine lange Weile aus ihm

herausbringen konnten. Sie nahmen ihn auf und brachten ihn

hinüber ins Wohnzimmer, legten ihn auf das Sofa, stellten ihm

etwas zu trinken hin und kehrten zurück zu ihren dunklen

Geschäften.

"Ein erregbarer kleiner Bursche", sagte Gandalf, als sie sich

wieder niedergesetzt hatten. "Er bekommt komische, verrückte

Anwandlungen. Aber er ist einer der Besten, einer der Besten -

wütend wie ein Drache in der Klemme."

Wenn ihr jemals einen Drachen in der Klemme gesehen habt,

so werdet ihr feststellen, daß dies eine höchst poetische

übertreibung in bezug auf einen Hobbit war. Das hätte selbst auf

des alten Tuks Urgroßonkel Stierbrüller nicht gepaßt, der (für

einen Hobbit) so groß war, daß er ein Pferd besteigen konnte.

Der griff die Reihen der Kobolde am Berg Gram in der Schlacht

auf den Grünen Feldern an und schlug ihrem König Golfimbul

mit einer hölzernen Keule glatt den Kopf ab. Der Kopf aber

segelte 100 Meter weit durch die Luft und fiel in ein

Kaninchenloch. Und auf diese Weise wurde im gleichen

Augenblick sowohl die Schlacht gewonnen als auch das

Golfspiel erfunden.

Wie dem auch immer sei, Stierbrüllers zahmerer Abkömmling

kam in seinem Wohnzimmer wieder zu sich. Nach einer

gewissen Weile und einem kleinen Trunk kroch er aufgeregt zur

Tür des Empfangszimmers. Da hörte er Gloin folgendes sagen:

"Humph!" (oder ein mehr oder weniger ähnliches Räuspern)

"Glaubt ihr, daß er es schaffen wird. Für Gandalf ist es leicht zu

behaupten, dieser Hobbit sei wütend. Aber ein Schrei wie dieser,

wer weiß in welchem Augenblick der Erregung, würde genügen,

den Drachen und seine ganze Sippschaft aufzuwecken und uns

alle ums Leben zu bringen. Ich meine, es klang viel mehr nach

Furcht als nach Erregung! Tatsache, wenn nicht das Zeichen an

der Tür gewesen wäre, so hätte ich bestimmt geglaubt, daß ich

in ein falsches Haus gekommen bin. Sobald ich einen Blick auf

diesen kleinen Burschen geworfen hatte, der auf der Fußmatte

herumhopste, da hatte ich meine Zweifel. Er sieht mehr nach

einem Krämer als nach einem Meisterdieb aus."

Da drehte Mister Beutlin den Türknopf und trat ein. Die

Tukseite hatte gewonnen. Er spürte, daß er ohne Bett und

Frühstück losziehen konnte, ja, sie sollten sehen, daß er wütend

und kampfhungrig war. Und was den kleinen Burschen anging,

der auf seiner Fußmatte herumhopste, so machte ihn das

wirklich wütend. Noch lange später bedauerte der Beutlin, was

er jetzt tat. Und er sagte zu sich: Bilbo, du warst ein Verrückter.

Du bist mit offenen Augen in dein Unglück gestolpert!

"Verzeiht", sagte er nämlich, "wenn ich einiges mit angehört

habe. Ich verstehe zwar nicht, worüber ihr euch unterhalten

habt, verstehe auch nicht eure Bemerkung über Meisterdiebe,

aber ich nehme an, daß ich richtig vermute (und das nannte er

Würde bewahren) - daß ihr mich für untauglich haltet.

Ich werde es euch zeigen. Ich habe keine Zeichen an meiner

Tür, sie wurde erst vor einer Woche gestrichen -, und ich bin

ganz sicher, daß ihr in das falsche Haus gekommen seid. Sobald

ich eure merkwürdigen Gesichter auf der Türschwelle sah, hatte

ich meine Zweifel. Aber betrachtet es nunmehr als das richtige

Haus. Erzählt mir, was ihr getan haben wollt, und ich werde es

versuchen, selbst wenn ich bis zum Ende der Welt marschieren

und mit den Lindwürmern in der letzten Wüste kämpfen müßte.

Ich hatte einen Ur-Ur-Ur-Großonkel! Stierbrüller Tuk."

"Ja, gewiß, aber das ist lange her", sagte Gloin. "Ich sprach

von Euch. Und ich versichere Euch, daß ein Zeichen an der Tür

war - das übliche im Geschäftsleben: ,Meisterdieb sucht gute

Arbeit mit viel Aufregungen und gegen angemessenen Lohn`.

So ist dieses Zeichen ja gewöhnlich zu verstehen. Ihr könnt auch

Bewährter Schatzjäger an Stelle von Meisterdieb sagen, wenn

das Euch besser gefällt.

Mancher tut es auch, aber für uns ist es ein und dasselbe.

Gandalf erzählte uns, daß es hier in dieser Gegend einen solchen

Mann gäbe, der gerade einen derartigen Posten sucht, und daß er

eine Zusammenkunft hier für diesen Mittwoch nachmittag

arrangiert habe."

"Natürlich ist das Zeichen da", sagte Gandalf, "ich habe es

selbst angebracht. Aus gutem Grund. Ihr batet mich, den

vierzehnten Mann für eure Expedition zu finden, und ich wählte

Mister Beutlin. Es soll mir bloß einer sagen, ich hätte den

falschen Mann oder das falsche Haus ausgesucht, und ihr könnt

euch mit dreizehn abfinden, könnt eurem Mißgeschick in die

Arme laufen oder zurückgehen und wieder Kohlen kratzen. "

Er runzelte die Stirn so fürchterlich, daß Gloin sich rasch in

seinen Stuhl drückte, und als Bilbo den Mund öffnen wollte, um

eine Frage zu stellen, drehte er sich um, starrte auc h ihn an, und

seine buschigen Augenbrauen streckten sich so weit vor, daß

Bilbo den Mund zuschnappen ließ. "In Ordnung", sagte Gandalf.

"Keine Auseinandersetzungen mehr. Ich habe Mister Beutlin

ausgewählt, und das sollte euch genügen. Wenn ich sage, er ist

ein Meisterdieb, dann ist er ein Meisterdieb oder wird einer sein,

wenn die Zeit dazu kommt. Es steckt eine Menge mehr in ihm,

als ihr meint, und eine Menge mehr, als er selbst es ahnt.

Wahrscheinlich werdet ihr mir alle noch einmal dankbar dafür

sein.

Nun, Bilbo, mein Junge, holt die Lampe und laßt ein bißchen

Licht darauf fallen. "

Im Schein der Lampe mit dem roten Schirm breitete er auf

dem Tisch ein Stück Pergament aus, das wie eine Karte aussah.

"Dies hat Euer Großvater angefertigt, Thorin", entgegnete er

auf die aufgeregten Fragen der Zwerge.

"Es ist ein Plan des Berges."

"Mir scheint, das wird uns nicht viel helfen", sagte Thorin

enttäuscht nach einem kurzen Blick auf das Pergament. "Ich

erinnere mich gut genug an den Berg und die Länder in seiner

Umgebung, und ich weiß, wo der Nachtwald ist und die

Verwitterte Heide, wo die großen Drachen hausen. "

"Da ist oben auf dem Berg rot ein Drache eingezeichnet" ,

meinte Balin, "aber es dürfte nicht schwerfallen, ihn auch ohne

diesen Plan zu finden, wenn wir jemals dort oben ankommen. "

"Da ist jedoch ein Punkt, den Ihr nicht bemerkt habt", sagte

Gandalf, "und das ist der geheime Eingang: Seht Ihr diese Rune

auf der Westseite und die Hand, die von den anderen Runen her

darauf hinzeigt? Das bedeutet einen verborge nen Zugang zu den

unteren Gewölben. "

"Kann sein, daß dieser Zugang irgendwann einmal geheim

war", entgegnete Thorin, "aber wie können wir wissen, ob er

noch immer geheim ist? Der alte Smaug hat dort lange genug

gelebt, um alles herauszufinden, was es über diese Gewölbe

herauszufinden gibt."

"Möglich - aber er kann seit Jahr und Tag mit diesem Zugang

nichts anfangen. "

"Warum?"

"Weil der Eingang zu klein ist. Fünf Fuß hoch die Tür, und

drei passen nebeneinander, sagen die Runen. Aber Smaug

konnte in ein solches Loch nicht hineinkriechen, selbst nicht, als

er noch ein Jungdrache war, gewiß aber nicht, nachdem er so

viele Zwerge und Menschen aus dem Tal gefressen hat."

"Mir scheint es aber doch ein sehr großes, mächtiges Loch zu

sein", quiekte Bilbo, der keine Erfahrung mit Drachen hatte und

sich nur auf Hobbithöhlen verstand. Er war schon wieder

aufgeregt und sehr interessiert, so daß er völlig vergaß, den

Mund zu halten. Landkarten mochte er sehr gern. In seiner Halle

hing eine große Karte von der Umgebung, in die mit roter Tinte

all seine Lieblingswege eingezeichnet waren. "Wie sollte, sehen

wir einmal vom Drachen ab, eine solch große Tür draußen

unbemerkt geblieben sein?" fragte er. Er war nur ein kleiner

Hobbit, vergeßt das nicht.

"Da gibt es Möglichkeiten ge nug", sagte Gandalf. "Aber auf

welche Weise gerade dieser Zugang verborgen gehalten wurde,

das werden wir, ohne an Ort und Stelle nachzuschauen, nicht

herausfinden. Der Karte nach zu urteilen, gibt es dort eine

verschlossene Tür, die so angefertigt wurde, daß sie genau wie

der Berg selbst aussieht. So macht man das doch bei den

Zwergen, nicht wahr?"

"Genauso", antwortete Thorin.

"Auch vergaß ich zu erwähnen", fuhr Gandalf fort, "daß mit

der Karte ein Schlüssel auf uns kam, ein alter und merkwürdiger

Schlüssel. Hier ist er", sagte er und händigte Thorin einen

silbernen Schlüssel mit einem langen Stiel und einem

komplizierten Bart aus. "Verwahrt ihn sicher!"

"Das werde ich", erwiderte Thorin und befestigte ihn an einer

dicken Kette, die unter dem Rock um seine n Hals hing.

"Jetzt sieht alles schon hoffnungsvoller aus. Bisher hatte ich

keine klare Vorstellung, was zu tun ist.

Wir wollten, so schnell und vorsichtig wie möglich, nach

Osten bis zum Langen See ziehen. Danach würden die

Schwierigkeiten beginnen.... "

"Schon eine ganze Zeit vorher, wenn ich über die Wege recht

unterrichtet bin", unterbrach ihn Gandalf.

"Wir könnten von dort aufwärts dem Eiligen Wasser folgen",

fuhr Thorin fort, der von Gandalfs Bemerkung keine Notiz

nahm, "bis zu den Ruinen von Dal, der alten Stadt im Tal am

Fuße des Berges.

Aber keiner von uns denkt gern an das Haupttor. Der Fluß

kommt unmittelbar aus ihm heraus und schießt durch die großen

Klippen südlich des Berges. Aber aus diesem Haupttor kommt

auch der Drache heraus, viel zu oft, wenn er nicht seine

Gewohnheiten geändert hat."

"Das würde zu keinem guten Ende führen", sagte der

Zauberer, "jedenfalls nicht ohne einen mächtigen Krieger oder

einen richtigen Helden. Ich versuchte, einen zu finden, aber die

Krieger bekämpfen sich eifrig untereinander, und in unserer

Gegend sind Helden selten geworden, oder es gibt sie überhaupt

nicht mehr. Die Schwerter sind bei uns gewöhnlich voller

Scharten, die _xte braucht man zum Bäumefällen, die Schilde

als Säuglingswiegen und Topfdeckel, und die Drachen sind

angenehm weit weg (und deshalb nur noch Fabeltiere). Darum

habe ich mich auf die Meisterdieberei verlegt, besonders, weil

ich mich an das Seitentor erinnerte. Und hier ist unser kleiner

Bilbo Beutlin, der Meisterdieb, der auserwählte und berufene

Meisterdieb. Jetzt weiter, laßt uns Pläne machen. "

"Gut also", sagte Thorin, "ich vermute, daß der Meisterdieb

uns einige seiner Ideen und Vorschläge unterbreiten will." Er

wandte sich mit spöttischer Höflichkeit an Bilbo Beutlin.

"Zunächst wüßte ich gern ein bißchen mehr über die ganze

Angelegenheit", sagte Bilbo und war sehr verwirrt und innerlich

ein bißchen unsicher. Aber immer noch bestimmte ihn die

Tukseite dazu, sich weiter mit der Angelegenheit zu befassen.

"Ich meine, über das Gold und den Drachen und wie er das

bekommen hat und wem es gehört."

"Donnerwetter sagte Thorin. "Habt Ihr Euch nicht die Karte

angesehen? Und habt Ihr nicht unser Lied gehört? Und haben

wir nicht seit Stunden darüber diskutiert?"

"Trotzdem würde ich es gern klar und deutlich hören" , sagte

er eigensinnig und setzte seine Geschäftsmiene auf (sonst nur

für Leute bestimmt, die Geld von ihm leihen wollten). Er tat sein

Bestes, um klug und berufstüchtig zu erscheinen und um

Gandalfs Empfehlung gerecht zu werden.

"Außerdem müßte ich Bescheid wissen über das Risiko, über

die Nebenausgaben, die benötigte Zeit, die Belohnung usw.!" -

womit er meinte: Was bekomme ich selbst dafür, und kehre ich

überhaupt lebendig zurück?.

"Oh, sehr gut", erwiderte Thorin. "Sehr lange ist es her, daß in

den Tagen meines Großvaters unsere Familie aus dem fernen

Norden vertrieben wurde. Sie kam mit all ihren Reichtümern

und ihren Werkzeugen zu diesem Berge hier auf der Karte.

Dann gruben meine Vorfahren und trieben Stollen vor und

machten hohe Gewölbe und große Werkstätten - und ich glaube,

daß sie auch eine ganze Menge Gold und viele Edelsteine dabei

fanden. Jedenfalls wurden sie ungewöhnlich reich und berühmt,

und mein Großvater wurde König unter dem Berge. Ja, er wurde

mit großer Hochachtung von den Menschen behandelt, die im

Süden lebten und sich allmählich das Eilige Wasser hinauf bis

dorthin ausbreiteten, wo das Tal vom Berge überschattet war.

Sie bauten dort in jenen Tagen die fröhliche Stadt Dal. Könige

riefen unsere Schmiede an ihre Höfe, und selbst für die weniger

Geschickten war die Belohnung überreich. Väter baten uns, ihre

Söhne als Lehrlinge einzustellen, und bezahlten uns ordentlich,

besonders mit Lebensmitteln. Wir brauchten uns daher nicht

mehr damit abzumühen, das Gemüse selbst anzubauen. Alles

zusammengenommen : Es waren gute Tage für uns, und selbst

der _rmste hatte Geld genug auszugeben und zu verleihen, hatte

Muße, wunderbare Arbeiten rein zum Spaß herzustellen, gar

nicht zu reden von den hübschen Zauberspielzeugen, die bis auf

den heutige n Tag nirgendwo anders auf der Welt mehr zu finden

sind. So wurden die Gewölbe meines Großvaters mit Rüstungen

und Edelsteinen gefüllt, mit Schnitzereien und Bechern, und die

Spielzeugläden von Dal waren ein Anblick, den man nicht mehr

vergaß.

Zweifellos lockte gerade das den Drachen an. Drachen stehlen

Gold und Edelsteine, wie Ihr wißt, bestehlen Menschen und

Elben und Zwerge, wo auch immer sie etwas finden können.

Und sie hüten ihren Raub, solange sie leben (und das ist

praktisch ewig, wenn sie nicht umgebracht werden). Dabei

erfreuen sie sich nicht einmal an einem Messingring. Es ist

schon so : Sie können kaum ein gutes Werkstück von einem

schlechten unterscheiden, obwohl sie gewöhnlich eine sehr gute

Nase für seinen Verkaufspreis haben. Aber sie können nichts

selbst machen, nicht einmal eine lose Schuppe an ihrem

Schuppenpanzer befestigen. Nun, in jenen Tagen gab es eine

Menge Drachen im Norden.

Wahrscheinlich wurde das Gold dabei knapp. Die Zwerge

flohen nach Süden oder wurden getötet, und die allgemeine

Verwüstung und Verheerung, die die Drachen anrichteten,

wandte alles vom Schlechten zum Schlechteren. Unter ihnen gab

es einen besonders gierigen, starken und verschlagenen

Drachen, Smaug genannt. Eines Tages flog er auf und kam nach

Süden. Das erste, was wir von ihm hörten, war ein Lärm wie

von einem wilden Sturm, der aus dem Norden heranwirbelte.

Die Bergkiefern krachten und zerbrachen im Sturm. Einige

Zwerge, die das Glück hatten, draußen zu sein (und ich war

einer von den glücklichen, ein prächtiger draufgängerischer

Bursche in jenen Tagen, immerzu auf Wanderschaft, und das

rettete mir an diesem Tage das Leben) - gut also, aus

angemessener Entfernung sahen wir, wie der Drache sich auf

unserem Berg in einer riesigen Flamme niederließ.

Dann kam er den Hang herab, und als er die Wälder erreichte,

da gingen sie in Flammen auf. In dieser Stunde läuteten alle

Glocken in Dal. Die Krieger rüsteten sich, die Zwerge stürzten

aus dem großen Tor - aber dort wartete der Drache auf sie. Auf

diesem Weg entkam keiner. Der Fluß zerkochte in weißem

Dampf, ein dichter Nebel senkte sich auf Dal herab, und da fiel

auch schon der Drache über die Krieger her und vernichtete die

meisten - es war das übliche unglückselige Geschick, nur zu

üblich in jenen Tagen. Dann ging Smaug zurück und kroch

durch das Haupttor und stöberte in allen Hallen und Gängen, in

Stollen und Gäßchen, in Kellern, Wohnungen und Durchgängen

umher. Danach war im Berginnern kein Zwerg mehr am Leben,

und er nahm all ihre Reichtümer in Besitz.

Wahrscheinlich, denn das ist Drachengewohnheit, hat Smaug

alles tief in der Erde auf einen großen Haufen gestapelt und

schläft darauf wie auf einem Bett. Später kroch er oft aus dem

großen Tor heraus, kam bei Nacht nach Dal und schleppte Leute

weg, besonders Jungfrauen, um sie aufzufressen - bis Dal

zerstört und alles Volk tot oder geflohen war. Was jetzt dort

vorgeht, weiß ich nicht. Aber ich vermute, daß heutzutage

niemand näher am Berge wohnt als am äußersten Ende des

Langen Sees.

Die wenigen von uns, die draußen waren, verbargen sich und

weinten und verfluchten Smaug.

Plötzlich stießen eines Tages mein Vater und mein Großvater

mit versengten Bärten zu uns. Sie sahen sehr grimmig aus,

sagten aber sehr wenig. Wenn ich sie fragte, wie sie

herausgekommen wären, bedeuteten sie mir, ich solle meine

Zunge hüten, und sie sagten, daß ich eines Tages zur rechten

Zeit alles wissen würde. Danach zogen wir fort. Wir mußten

unser Leben fristen, so gut wir konnten, da und dort in den

Ländern. Oft genug sanken wir bis zum Hufschmied hinab, oder

wir mußten sogar in die Kohlenbergwerke gehen. Aber niemals

haben wir unseren gestohlenen Schatz vergessen. Und gerade

jetzt, da ich mir erlauben darf zu sagen, daß wir eine ganz

schöne Menge beiseite gelegt haben und daß es uns durchaus

nicht schlecht geht" Thorin strich über die goldene Kette, die um

seinen Hals hing, "hoffen wir noch immer, ihn zurückzuerhalten

und unsere Flüche über Smaug zu bringen - falls es uns

verstattet ist.

Ich habe mich oft über die Flucht meines Vaters und meines

Großvaters gewundert. Jetzt sehe ich, daß sie eine Nebentür

benutzten, die nur ihnen allein bekannt war. Augenscheinlich

zeichneten sie auch eine Karte. Doch jetzt möchte ich wissen,

wie Gandalf sich ihrer bemächtigte und warum sie nicht auf

mich, den rechtmäßigen Erben, gekommen ist."

"Ich habe mich nicht ihrer bemächtigt", sagte Gandalf. "Sie

wurde mir gegeben. Euer Großvater wurde getötet, wie Ihr Euch

erinnert, von einem Ork in den Bergwerken von Moria."

"Verflucht sei der Ork", warf Thorin ein.

"Und Euer Vater ging am 21. April, am letzten Donnerstag

vor hundert Jahren, fort, und Ihr habt ihn seitdem nicht mehr

gesehen. "

"Wahr, wahr", sagte Thorin.

"Gut. Euer Vater gab mir für Euch dies. Und wenn ich meine

eigene Zeit und meine eigene Weise dazu wählte, so könnt Ihr

mir kaum am Zeug flicken. Bedenkt die Schwierigkeiten, die ich

hatte, um Euch zu finden! Euer Vater konnte sich nicht einmal

an seinen eigenen Namen erinnern, als er mir das Pergament

übergab, und Euren Namen konnte er mir auch nicht sagen.

Richtig betrachtet, denke ich, daß man mich loben und daß man

mir danken müßte! Hier ist die Karte." Damit händigte er sie

Thorin aus.

"Ich verstehe das nicht", sagte Thorin, und Bilbo hätte am

liebsten dasselbe gesagt, denn die Erklärung schien nichts zu

erklären.

"Euer Großvater", fuhr der Zauberer verärgert fort, "gab die

Karte aus Sicherheitsgründen seinem Sohn, bevor er in die

Bergwerke von Moria ging. Nachdem Euer Großvater getötet

worden war, ging Euer Vater fort, denn er wollte sein Glück mit

der Karte versuchen. Er hatte eine Menge von höchst

unerfreulichen Abenteuern, aber niemals kam er an den Berg

heran. Wie er schließlich in das Verlies des Geisterbeschwörers

gekommen ist, wo ich ihn gefangen fand, das weiß ich nicht."

"Was habt Ihr denn dort getan?" fragte Thorin mit einem

Schauder, und alle Zwerge bekamen eine Gänsehaut.

"Das braucht Ihr nicht zu wissen. Ich mußte etwas

auskundschaften, wie gewöhnlich, und es war ein

widerwärtiges, gefährliches Geschäft. Selbst ich, Gandalf, bin

gerade noch mit heiler Haut davongekommen. Ich wollte Euren

Vater retten. Aber es war zu spät. Er war ohne Verstand, redete

irre und hatte fast alles vergessen, ausgenommen die Karte und

den Schlüssel."

"Wir haben es vor langer Zeit den Orks von Moria

heimgezahlt", sagte Thorin. "Jetzt wäre es an der Zeit, dem

Geisterbeschwörer eine Lehre zu erteilen. "

"Redet kein dummes Zeug! Das ist ein Geschäft, das die

Kräfte aller Zwerge weit überschreitet, selbst wenn sie einer aus

allen vier Enden der Welt zusammenrufen würde. Das einzige,

was Euer Vater wünschte, war, daß Ihr die Karte lesen und den

Schlüssel benutzen sollt. Drache und Berg sind mehr als große

Aufgaben für Euch! "

"Hört. Hört!" warf Bilbo ein, und zufällig sagte er es laut.

"Hört was?" fragten sie alle und wandten sich Bilbo plötzlich

zu. Er wurde darüber so verwirrt, daß er sagte: "Hört, was ich

euch zu sagen habe!"

"Gern. Und was wäre das?" fragten sie.

"Also, paßt auf, ich würde sagen, daß ihr nach Osten gehen

und euch einmal dort umschauen solltet.

Schließlich gibt es da eine Nebentür, und Drachen sollen

manchmal schlafen, vermute ich. Wenn ihr lange genug dort auf

der Türschwelle sitzt, so möchte ich annehmen, daß euch etwas

einfällt. Und nun gut, meint ihr nicht auch, daß wir für eine

Nacht lange genug gesprochen haben, wenn ihr versteht, was ich

damit meine? Was haltet ihr von einem Bett und von einem

frühen Aufbruch? Ich werde euch ein gutes Frühstück geben,

bevor ihr auszieht."

"Bevor wir ausziehen, das meint Ihr doch sicher", sagte

Thorin. "Seid Ihr nicht der Meisterdieb? Und ist das Sitzen auf

der Türschwelle dort nicht Euer Geschäft, gar nicht vom

Hineingehen zu sprechen?

Aber was Bett und Frühstück betrifft, so stimme ich zu. Ich

habe sechs Eier mit Schinken gern, wenn ich eine Reise beginne

- aber fein gebraten, keine gerührten Eier! Und laßt sie bloß

nicht auslaufen!"

Nachdem auch alle anderen ihr Frühstück ohne das geringste

"Bitteschön" bestellt hatten (was Bilbo sehr verärgerte), standen

sie auf. Der Hobbit mußte Platz für alle schaffen, und er füllte

seine Gastzimmer und machte Betten auf Stühlen und Sofas, bis

er jeden verstaut hatte. Dann legte er sich in sein eigenes kleines

Bett und war sehr müde und nicht gerade glücklich. Eines stand

jedoch für ihn fest - mit dem Aufstehen und mit der Zubereitung

des lumpigen Frühstücks wollte er sich nicht allzusehr beeilen.

Die Tukseite brauchte sich auf, und er war jetzt gar nicht mehr

sicher, daß er am nächsten Morgen auf Reisen gehen würde.

Wie er so in seinem Bett lag, konnte er Thorin nebenan im

besten Schlafzimmer still vor sich hin summen hören: "Weit

über die kalten Nebelberge, zu den tiefen Verliesen und uralten

Höhlen müssen wir fort, ehe der Tag anbricht, unser lang

vergessenes Gold suchen. "

Dies in den Ohren, schlief Bilbo ein, und es bescherte ihm

recht unangenehme Träume. Es war lang nach Tagesanbruch,

als er aufwachte.

Gebratenes Hammelfleisch

Bilbo sprang auf, zog seinen Morgenrock an und ging in das

Speisezimmer. Dort sah er niemand, fand jedoch alle Zeichen

eines ausgedehnten, aber eiligen Frühstücks. In dem Zimmer

war ein Durcheinander zum Fürchten, und Haufen von

ungespültem Geschirr standen in der Küche; fast alle Töpfe und

Pfannen, die er besaß, schienen gebraucht zu sein. Der

Aufwasch war traurige Tatsache.

Bilbo mußte einsehen, daß die Gesellschaft der Nacht zuvor

keineswegs einem Alptraum entsprungen war, wie er fast

gehofft hatte. Nach allem war er sogar erleichtert bei dem

Gedanken, daß die ungebetenen Gäste ohne ihn fortgegangen

waren und ihn nicht einmal geweckt hatten (aber ohne ein

Dankeschön, dachte Bilbo). Er fühlte sich ein bißchen

enttäuscht. Und dies Gefühl überraschte ihn. Sei kein Narr,

Bilbo Beutlin! sagte er zu sich selbst. In deinem Alter an

Drachen und all den ausländischen Unsinn zu denken! So band

er sich eine Schürze um, machte Feue r, ließ Wasser kochen und

wusch auf. Dann verzehrte er ein hübsches kleines Frühstück in

der Küche, bevor er das Speisezimmer auskehrte. Die Sonne

schien, die Haustür stand offen und ließ eine warme

Frühlingsbrise herein. Bilbo begann laut zu pfeifen und die

vergangene Nacht zu vergessen. Gerade hatte er sich im

Speisezimmer am offenen Fenster zu einem kleinen zweiten

Frühstück niedergesetzt, als Gandalf hereinkam.

"Mein lieber Junge", sagte er, "wann gedenkt Ihr eigentlich zu

kommen? Wie war das mit dem frühen Aufbruch? Und hier sitzt

Ihr nun beim Frühstück, oder wie Ihr es nennt, um halb elf! Sie

haben Euch doch eine Nachricht hinterlassen, weil sie nicht

warten konnten. "

"Eine Nachricht?" fragte der arme Mister Beutlin ganz

verwirrt.

"Du lieber Himmel!" antwortete Gandalf. "Ich kenne Euch

nicht wieder. Habt Ihr denn den Kaminsims noch nicht

abgestaubt?"

"Was hat das damit zu tun? Ich habe genug mit dem Abwasch

für vierzehn zu schaffen gehabt!"

"Hättet Ihr den Kaminsims abgestaubt, so hättet Ihr dies hier

unter der Uhr gefunden", sagte Gandalf und übergab Bilbo einen

Brief (der natürlich auf Bilbos eigenem Briefpapier geschrieben

war). Da war folgendes zu lesen: "Thorin & Companie grüßen

den Meisterdieb Bilbo! Für Eure Gastfreundschaft unseren

aufrichtigen Dank, und für Euer Angebot beruflicher

Hilfeleistung unsere freundliche Annahme. Bedingungen:

Auszahlung bei Ablieferung. Der Betrag darf den 14. Teil des

Gesamtgewinns, wenn es überhaupt welchen geben sollte,

erreichen, darf ihn aber keinesfalls überschreiten, alle

Reisekosten in jedem Falle garantiert; Begräbniskosten werden

von uns oder unseren Vertretern getragen, falls sich die

Notwendigkeit ergeben sollte und die Angelegenheit nicht auf

andere Weise geregelt werden kann. Da wir es nicht für

notwendig erachten, Eure hochgeschätzte Ruhe zu stören, sind

wir vorausgegangen, um unsere Vorbereitungen zu treffen, und

werden Eure geachtete Persönlichkeit beim Gasthaus, Zum

grünen Drachen` zu Wassernach Punkt elf erwarten. Hoffend,

daß Ihr pünktlich sein werdet, haben wir die Ehre zu verbleiben

Eure sehr verbundene Thorin & Co."

"Das läßt Euch gerade noch zehn Minuten. Ihr müßt laufen",

bemerkte Gandalf.

"Aber -", sagte Bilbo.

"Keine Zeit dafür", sagte der Zauberer.

"Aber ich - ", fing Bilbo noch einmal an.

"Auch dafür keine Zeit! Ihr müßt losgehen. "

Bis zum Ende seiner Tage konnte Bilbo sich nicht erinnern,

wie er herausgekommen war, ohne Hut, ohne Spazierstock und

ohne Geld, ohne irgend etwas, das er gewöhnlich mit sich nahm,

wenn er ausging. Sein zweites Frühstück ließ er halb beendet

und das Geschirr ungespült. Die Schlüssel drückte er Gandalf in

die Hand, und dann rannte er, so schnell wie seine bepelzten

Füße ihn den Weg hinuntertrugen, an der großen Mühle vorbei

über das Wasser und dann eine ganze Meile weiter oder mehr.

Er schnaufte mächtig, als er Wassernach genau auf den

Glockenschlag elf erreichte. Und dabei entdeckte er, daß er ohne

Taschentuch unterwegs war!

"Bravo!" sagte Balin, der an der Wirtshaustür nach ihm

Ausschau gehalten hatte.

Gerade in diesem Augenblick kamen die anderen um die

Wegkehre vom Dorf her. Sie saßen auf Ponys, und jedes Pony

war bepackt mit allen möglichen Gepäckstücken, Paketen,

Bündeln und Ausrüstungsgegenständen. Es war auch ein sehr

kleines Pony dabei, augenscheinlich für Bilbo.

"Auf, ihr zwei, und los geht's!" sagte Thorin. "Es tut mir

schrecklich leid, entgegnete Bilbo, "aber ich bin ohne Hut

gekommen, habe mein Taschentuch vergessen und kein Geld

eingesteckt. Um genau zu sein: Ich habe euren Brief erst nach

10.45 Uhr bekommen. "

"Ihr braucht nicht genau zu sein", sagte Dwalin, "und sorgt

Euch nicht deshalb! Ihr werdet auch ohne Taschentücher und

ohne manches andere zurechtkommen, bevor das Ende der Reise

erreicht ist. Und was den Hut angeht, so habe ich einen

überzähligen Kapuzenmantel in meinem Gepäck."

So nahm die Reise ihren Anfang. Sie trotteten mit ihren

beladenen Ponys an einem schönen Morgen kurz vor dem 1.

Mai vom Wirtshaus los. Bilbo trug eine dunkelgrüne Kapuze

(sie war ein bißchen verschossen) und einen dunkelgrünen

Mantel, den Dwalin ihm geliehen hatte. Beides war ein bißchen

weit für ihn, und er sah ziemlich komisch darin aus. Was hätte

sein Vater Bungo gesagt - ich wage nicht, es auszudenken.

Bilbos einzige Beruhigung war, daß er nicht mit einem Zwerg

verwechselt werden konnte, denn er trug keinen Bart.

Sie waren noch nicht sehr lang geritten, als Gandalf auf einem

prächtigen weißen Pferd erschien. Er hatte eine Masse

Taschentücher mitgebracht und Bilbos Pfeife und Tabak dazu.

So ritt die Gesellschaft in bester Stimmung weiter. Man erzählte

einander Geschichten und sang Lieder. Den ganzen Tag über

wurde geritten, ausgenommen natürlich, wenn man der

Mahlzeiten wegen anhielt. Diese jedoch gab es durchaus nicht

so oft, wie Bilbo es gern gesehen hätte. Aber immerhin kam es

ihm vor, als ob Abenteuer schließlich doch nicht so schlimm

wären, wie er angenommen hatte.

So ging es eine ganze Weile. Ein ausgedehnter Landstrich

mußte durchquert werden, der von einem achtbaren Volk

bewohnt wurde, von Menschen, Hobbits, Elben und was weiß

ich von wem sonst noch.

Die Wege waren gut, es gab auch ein paar Gasthäuser, und

hin und wieder traf man einen Zwerg, einen Kesselflicker oder

einen Bauern, die ihren Geschäften nachgingen. Aber nach einer

gewissen Zeit gelangten sie in eine Gegend, wo die Leute

sonderbar sprachen und Lieder sangen, die Bilbo nie zuvor

gehört hatte. Die Gasthäuser wurden rar und waren gar nicht

gut, und die Wege wurden immer schlechter. Höher und höher

erhoben sich die Berge. Auf einigen standen Burgen, denen man

ansah, daß sie zu bösen Zwecken erbaut worden waren. Auch

das Wetter, das bisher so schön gewesen war, wie es der Mai

sonst nur in fröhlichen Geschichten ist, schlug um, und es wurde

geradezu scheußlich.

"Dabei haben wir morgen den ersten Juni", brummte Bilbo,

während er hinter den anderen in einer sehr schmutzigen Spur

einherpatschte. Teezeit war vorüber. Es goß in Strömen, und es

hatte den ganzen Tag über schon so gegossen. Von der Kapuze

tropfte es ihm in die Augen, der Mantel hatte sich voll Wasser

gesogen, das Pony war müde und stolperte über die Steine, und

die anderen waren viel zu brummig, um zu sprechen. Ich bin

sicher, daß der Regen bis in die Kleider gegangen ist und in die

Verpflegungstaschen, dachte Bilbo. Verflixte Meisterdieberei

und alles, was damit zu tun hat! Ich wünschte, ich wäre zu

Hause in meiner hübschen Höhle beim Kaminfeuer, wenn

gerade der Kessel anfängt zu summen! Es war nicht das letzte

Mal, daß er sich das wünschte. Die Zwerge trotteten weiter,

keiner drehte sich um, keiner nahm vom Hobbit Notiz. Hinter

den grauen Bergen mußte die Sonne untergegangen sein, denn

es wurde dunkel. Wind kam auf, und die Weiden am Flussufer

beugten sich und seufzten. Ich weiß nicht, was für ein Fluß es war.

Er floß sehr rasch und war erdigrot; die Regengüsse der letzten Tage

hatten ihn stark anschwellen lassen. Er kam herab aus dem Gebirge,

das vor ihnen lag.

Es war beinahe Nacht. Der Wind riß die grauen Wolken auf,

und zwischen den fliegenden Wolkenfetzen erschien der Mond

über den Bergen. Sie hielten an, und Thorin brummte etwas von

Abendessen und "wo sollen wir einen trockenen Fleck zum

Schlafen finden? "

Bisher hatten sie nicht bemerkt, daß Gandalf verschwunden

war. Er war den ganzen Weg bei ihnen gewesen. Kein Wort

hatte er darüber verlauten lassen, ob er am Abenteuer

teilzunehmen gedachte oder ob er ihnen nur für eine Weile

Gesellschaft leisten wollte. Er hatte am meisten gegessen, am

meisten erzählt und am meisten gelacht. Und nun war er einfach

nicht mehr da. "Ausgerechnet wenn ein Zauberer am

nützlichsten sein könnte", maulten Dori und Nori (die des

Hobbits Ansichten über regelmäßige, zahlreiche und

ausführliche Mahlzeiten teilten).

Endlich beschlossen sie, daß sie ihr Lager hier an Ort und

Stelle errichten wollten. Sie zogen zu einer Baumgruppe, unter

der es zwar ein bißchen trockener war, aber der Wind schüttelte

den Regen von den Blättern, und das Drippdripp war höchst

störend und unerfreulich. Auch schien das Unglück ins Feuer q.

gefahren zu sein. Zwerge können überall und aus allem Feuer

machen, mit Wind oder ohne Wind. Aber in dieser Nacht gelang

es ihnen nicht. Selbst Oin und Gloin nicht, die darin besonders

gut waren.

Dann bekam eines der Ponys vor einem Nichts einen Schreck

und ging durch. Es sprang in den Fluß, bevor sie es fangen

konnten. Und bevor sie es wieder herausholen konnten, waren

Fili und Kili beinahe ertrunken, und das ganze Gepäck, das das

Pony getragen hatte, wurde vom Strom weggerissen.

Ausgerechnet ihre Verpflegung war darin; es blieb ihnen sehr

wenig für das Abendessen und noch weniger für das Frühstück

übrig.

Da saßen sie klamm und naß und laut brummend, während

Oin und Gloin es noch einmal mit dem Feuer versuchten und

sich dabei in die Haare gerieten. Bilbo dachte gerade traurig

darüber nach, daß Abenteuer durchaus nicht nur Spazierritte auf

dem Pony im Maisonnenschein waren, als Balin, der stets den

Ausguck übernahm, herüberrief: "Da droben ist ein Licht!" Sie

lagerten nicht weit von einem Berg, der teilweise dicht bewaldet

war. Zwischen den dunklen Stämmen konnte man ein Licht

scheinen sehen, ein rötliches, sehr angenehm aussehendes Licht,

vielleicht ein Feuer oder eine flackernde Fackel.

Nachdem sie eine Weile hingeschaut hatten, begannen sie zu

streiten. Einige sagten nein, und andere sagten ja. Einige sagten,

wer wollte, könnte ja gehen und nachschauen, und das wäre am

Ende besser als wenig Abendbrot und noch weniger Frühstück

und nasse Kleider die ganze Nacht.

Wieder andere sagten: "Diese Landstriche sind nicht genug

erforscht. Sie liegen zu nahe am Gebirge.

Reisende kommen nicht so weit, die alten Karten taugen

nichts, und die Straße ist unbewacht. Man hat auch noch gar

nichts von dem König hierherum gehört, und je weniger genau

einer hinschaut, wenn er hier durchzieht, desto weniger Verdruß

wird er haben." Einige sagten: "Schließlich sind wir vierzehn."

Andere fragten: "Wohin ist Gandalf verschwunden?" Diese

Bemerkung wurde von allen wiederholt. Dann begann der

Regen herabzurauschen, schlimmer denn je, und Oin und Gloin

gerieten sich abermals in die Wolle.

Das gab den Ausschlag. "Wie es auch sei : Wir haben einen

Meisterdieb bei uns", sagten sie. Und so machten sie sich auf

und führten ihre Ponys (mit aller gebührenden Vorsicht) auf den

Lichtschein zu.

Sie kamen an den Fuß des Berges und waren bald im Wald.

Sie gingen den Berg hinauf, aber es war kein ordentlicher Pfad

zu sehen, der vielleicht zu einem Haus oder zu einem Bauernhof

hätte führen können. Sie taten, was sie konnten, und machten

doch allerhand Krach, Geraschel und Geknarre, als sie zwischen

den Bäumen in pechschwarzer Nacht dahinzogen (und ein gut

Teil Murren und Fluchen kam auch dazu).

Plötzlich schimmerte das rote Licht ganz hell und gar nicht

weit vor ihnen durch die Bäume.

"Jetzt ist unser Meisterdieb an der Reihe" sprachen sie und

schauten Bilbo an.

"Geht los und kundschaftet dieses Licht aus, seht zu, warum

es leuchtet und ob dort alles sicher und ohne Gefahr ist", sagte

Thorin zu dem Hobbit. "Geht jetzt und kommt rasch zurück,

falls alles in Ordnung ist. Wenn nicht, dann kommt zurück, falls

Ihr könnt! Falls es aber nicht geht, dann heult zweimal lang wie

eine Schleiereule und einmal kurz wie eine Baumeule, und dann

wollen wir tun, was wir können. "

Bilbo mußte losgehen, bevor er erklären konnte, daß er

überhaupt wie keine einzige Eulensorte zu heulen verstand.

Ebensogut hätte man verlangen können, er solle wie eine

Fledermaus fliegen. Aber wie dem auch sei, Hobbite können

sich lautlos in den Wäldern vorwärts bewegen. Sie sind stolz

darauf. Mehr als einmal hatte Bilbo schon verächtlich über das

geschnauft, was er den "Zwergenspektakel" nannte, wenn die

Kerle so dahertapsten - obgleich weder ihr noch ich in einer

solch stürmischen Nacht irgend etwas vernommen hättet, nicht

einmal, wenn die ganze Gesellschaft in zwei Schritt Entfernung

vorübergerumpelt wäre. Bilbo pirschte sich also an den roten

Lichtschein heran, und nicht einmal einem Wiesel zuckte ein

Schnurrbarthaar. Bilbo ging geradewegs auf das Feuer zu - denn

ein Feuer war es -, ohne irgendwen aufzustören. Und dies sah

unser Hobbit: Drei mächtig große Kerle saßen rund um ein

gewaltiges Feuer aus Buchenstämmen. Sie brieten

Hammelfleisch an langen hölzernen Bratspießen und leckten das

Fett von ihren Fingern. Ein außerordentlich wohltuender Duft

stach ihm in die Nase. Auch stand ein Faß mit einem guten

Tropfen neben ihnen, und die Kerle tranken aus Krügen. Es

waren augenscheinlich Trolle. Selbst Bilbo, trotz seines bisher

wohlgeordneten Lebens, konnte das sehen: an den groben

Gesichtern, an ihrer Größe, an der Länge ihrer Beine - nicht zu

erwähnen ihre Sprache, die keineswegs gepflegt war.

Keineswegs.

"Hammelfleisch gestern, Hammelfleisch heute, und

verdammich, wenn es nicht morgen auch nach Hammelfleisch

riecht", sagte einer von den Trollen.

"Seit langem haben wir nicht einen winzigen Fetzen

Menschenfleisch gegessen", sagte der zweite.

"Was zur Hölle hat Bill sich dabei gedacht, als er Uns in diese

Gegend brachte. Und noch schlimmer: Das Gesöff wird auch

schon alle." Dabei stieß er Bill, der gerade einen tiefen Zug aus

dem Krug tat, am Ellbogen an. Bill verschluckte sich. "Halt dein

Maul!" sagte er, sobald er die Sprache wiederfand.

"Ihr könnt doch nicht erwarten, daß die Leute hierbleiben und

von dir und Bert gefressen werden wollen. Mittlerweile habt ihr

zusammen eineinhalb Dörfer gefressen, seit wir aus dem

Gebirge herunterkamen. Wieviel wollt ihr denn noch fressen? Es

wäre längst an der Zeit gewesen, für einen solch netten fetten

Hammelbrocken, wie dies einer war, danke schön zu sagen!"

Dabei riß er einen ordentlichen Fetzen von der Hammelkeule,

die er gerade röstete, und wischte sich den Mund am _rmel ab.

Ja, es ist schlimm, Trolle benehmen sich nun einmal so, selbst

diejenigen, die nur einen Kopf haben.

Nachdem Bilbo das erlauscht hatte, hätte er eigentlich sofort

etwas ur1ternehmen müssen. Entweder hätte er geräuschlos

zurückgehen und seine Freunde warnen müssen, daß hier drei

ausgewachsene Trolle in unangenehmer Laune saßen, Burschen,

die gewiß gern einmal gebratene Zwerge oder zur Abwechslung

wenigstens Ponys versuchen würden. Oder er hätte rasch eine

vernünftige Dieberei ausführen müssen. Ein wirklich

erstklassiger und berühmter Meisterdieb hätte an seiner Stelle

wohl etwas aus den Trolltaschen herausstibitzt - das lohnt sich

fast immer - oder das Hammelfleisch von den Bratspießen

gestohlen, das Bier entwendet und sich dann unbemerkt

zurückgezogen. Andere, mehr praktisch denkende, aber weniger

berufsstolze Leute würden jedem der Kerle vielleicht einen

Dolch zwischen die Rippen gesetzt haben - ehe sie überhaupt

etwas merkten. Und dann hätte man die Nacht angenehm

verbringen können.

Bilbo wußte es. Er hatte eine Menge Dinge gelesen, die er

niemals gesehen oder selbst getan hatte.

Jetzt aber war er sehr beunruhigt und ebenso entrüstet. Er

wünschte sich hundert Meilen fort. Und doch - irgendwie

brachte er es nicht übers Herz, stracks mit leeren Händen zu

Thorin und seinen Gesellen zurückzugehen. So stand er im

Schatten und zögerte. Da ihm von den verschiedenen

Diebesgeschäften, von denen er gehört hatte, das Ausnehmen

von Trolltaschen das am wenigsten schwierige schien, kroch er

zuletzt hinter den Baum, vor dem Bill saß. Bert und Tom gingen

ans Faß.

Und Bill tat einen neuen kräftigen Zug. Da nahm Bilbo all

seinen Mut zusammen und steckte seine kleine Hand in Bills

riesige Tasche. Es war eine Geldbörse darin, für Bilbo so groß

wie ein Sack. Ha! dachte er, als er die Börse vorsichtig

herausholte - und seine neue Arbeit gefiel ihm dabei schon

bedeutend besser -, das ist ein schöner Anfang.

Und das war er auch! Trollbörsen sind nämlich ein Unglück ,

und diese war keine Ausnahme. "Hier bin ich, wer seid Ihr?"

quiekte sie, als sie aus der Tasche herausgezogen wurde, und

Bill drehte sich sofort um und griff Bilbo beim Nacken. "Teufel,

Bert, sieh dir an, was ich gegriffen habe. rief Bill.

"Was ist es denn?" fragten die anderen und kamen heran.

"Na, wenn ich s selbst wüßte. He, wer bist du? "

"Bilbo Beutlin, ein Meister - ein Hobbit", sagte der arme

Bilbo, klapperte mit den Zähnen und überlegte, wie er einen

Eulenruf ausstoßen konnte, bevor sie ihn erdrosselten.

"Ein Meisterhobbit?" fragten sie, ein bißchen erschrocken.

Trolle sind schwer von Begriff und sehr mißtrauisch allem

Neuen gegenüber.

"Was zum Teufel hat aber ein Meisterhobbit mit meiner

Tasche zu tun?" fragte Bill.

"Kann man den wohl kochen?" meinte Tom.

"Du kannst es ja versuchen", entgegnete Bert und nahm einen

kleinen Bratspieß auf.

"Er wird kaum einen Mundvoll geben", beschwichtigte Bill,

der sich bereits ein ausgezeichnetes Abendessen einverleibt

hatte. "Jedenfalls nicht, wenn Haut und Gräten weg sind."

"Vielleicht läuft noch mehr von dem Zeug hier herum, und

wir können Gehacktes machen", sagte Bert.

"He, du, kriechen da noch mehr von deiner Sorte in den

Wäldern herum, du schmutziges kleines Kaninchen?" fragte er

und schaute auf die braunen Pelzfüße des Hobbits. Er griff ihn

bei den Zehen und schüttelte ihn.

"Ja, massenweise, schrie Bilbo, bevor er sich daran erinnerte,

daß man seine Freunde nicht preisgeben darf. "Nein, kein

einziger, nicht ein einziger", sagte er sofort hinterher.

"Was meinst du eigentlich?" drohte Bert und hob ihn diesmal

an den Haaren hoch.

"Genau was ich sage", entgegnete Bilbo keuchend. "Und bitte,

kocht mich nicht, meine werten Herren! Ich bin selber ein guter

Koch und koche bestimmt besser, als wenn ihr mich kocht.

Hoffentlich versteht ihr, wie ich das meine. Ich will wunderbar

für euch kochen, ihr sollt ein ganz großartiges Frühstück haben,

wenn ihr mich bloß nicht jetzt zum Abendessen verspeist."

"Arme Kröte", sagte Bill (ich berichtete schon, daß er bereits

so viel Abendbrot gegessen hatte, wie sein Magen es gerade

noch vertrug; außerdem hatte er sich eine Riesenmenge Bier

einverleibt).

"Arme Kröte! Laßt sie hopsen. "

"Nicht eher, als bis er sagt, was er mit ,massenweise und nicht

ein einziger` meint", erwiderte Bert.

"Ich lege keinen Wert darauf, daß mir jemand im Schlaf die

Kehle durchschneidet. Halt seine Zehen ins Feuer, bis er

spricht."

"Das will ich nicht", sagte Bill. "Ich hab ihn gegriffen!"

"Du bist ein dicker Esel, Bill", entgegnete Bert, "das hab ich

heute abend schon einmal gesagt."

"Und du bist ein Lümmel. "

"Und das laß ich mir von dir nicht gefallen, Bill Huggins",

schrie Bert und schlug Bill mit der Faust ins Auge.

Dann gab es eine prächtige Keilerei. Bilbo hatte gerade noch

so viel Verstand, daß er, als sie ihn auf die Erde fallen ließen,

aus dem Bereich ihrer Füße kroch. Und dann verbissen sich die

beiden wie stützte sich auf seinen Stock und betrachtete den

Hobbit, ohne ein Wort zu sagen, bis es Bilbo ungemütlich und er

sogar ein bißchen ärgerlich wurde.

"Guten Morgen!" sagte Bilbo schließlich. "Wir wollen hier

keine Abenteuer, vielen Dank! Ihr könnt es hinter dem Berg

oder jenseits des Wassers versuchen!" Damit meinte er, die

Unterhaltung wäre beendet.

"Was Ihr nicht alles unter 'guten Morgen' versteht", sagte

Gandalf "Jetzt meint Ihr, daß Ihr mich damit loswerden könntet,

daß es gut wäre, wenn ich verschwände."

"Keineswegs, keineswegs, mein bester Herr - wie heißt Ihr

eigentlich? "

"Ja freilich, mein bester Herr! Ich weiß sehr gut, w ie Ihr heißt,

Mister Bilbo Beutlin. Und Ihr kennt auch meinen Namen,

obgleich Ihr nicht ahnt, daß ausgerechnet ich dazu gehöre : Ich

bin Gandalf, und Gandalf, denkt nur, das bin ich! Reizend, daß

Belladonnas Sohn mich mit einem 'Guten Morgen'

wegscheuchen will, als ob ich Knöpfe an der Tür verkaufte!"

"Gandalf, Gandalf. Du lieber Himmel, doch nicht der

wandernde Zauberer, der dem alten Tuk ein Paar magischer

Diamantklammern verehrte, die sich von selbst schlossen und

sich niemals ohne Befehl lösten? Keiner verstand es wie er,

beim Kaffeetrinken solch wunderbare Geschichten über

Drachen zu erzählen, über Kobolde und Riesen, über gerettete

Prinzessinnen und über das unvorhergesehene Glück von

Söhnen armer Witwen. Doch nicht Gandalf, der so

ausgezeichnete Feuerwerke abzubrennen verstand! Ja, daran

erinnere ich mich! Der alte Tuk arrangierte sie zur

Sommersonnenwende. Großartig, toll! Sie schossen auf wie

mächtige Lilien, wie Löwenmaul und Goldregen aus Feuer. Den

ganzen Abend noch hingen sie in der Dämmerung." Ihr werdet

schon gemerkt haben, daß Mister Beutlin nicht ganz so

prosaisch war, wie er es von sich selbst annahm.

überdies war er in Blumen geradezu vernarrt. "Meine Güte",

fuhr er fort, "doch nicht der Gandalf, der es auf dem Gewissen

hat, daß so viele brave Burschen und Mädchen einfach ins Blaue

gingen, verrückte Abenteuer zu erleben. Beim Bäumeklettern

angefangen bis zur Reise auf Schiffen, die hinüber zur anderen

Seite segelten? Der Himmel sei mir gnädig, so ein Leben schien

aber - ich meine, Ihr habt in dieser Gegend allerhand

angerichtet. Ich bitte um Verzeihung, aber ich hatte keine

Ahnung, daß Ihr noch immer solchen Unfug macht."

"Was soll ich denn sonst machen?" sagte der Zauberer.

"Und ich bin froh, daß Ihr Euch noch an einiges erinnert. Ihr

scheint beispielsweise meine Feuerwerke in gutem Andenken

behalten zu haben, und das ist gewiß nicht ohne Hoffnung. In

der Tat, um Eures seligen Großvaters Tuk und der armen

Belladonna willen gebe ich Euch gern, um was Ihr mich gebeten

habt."

"Verzeihung, habe ich denn um.etwas gebeten? "

"Natürlich habt Ihr! Zweimal sogar: Um meine Verzeihung

habt Ihr gebeten. Die gebe ich Euch. Und außerdem gehe ich

sogar noch weiter und schicke Euch in dies besagte Abenteuer.

Das ist sehr erheiternd für mich und ausgezeichnet für Euch und

nützlich ist es außerdem - das heißt, wenn Ihr es wohlbehalten

übersteht."

"Tut mir leid. Ich wünsche keine Abenteuer. Vielen Dank,

und heute schon gar nicht. Guten Morgen, mein Herr! Aber

bitte, kommt zum Tee, jederzeit, wie es Euch paßt - warum nicht

morgen? Auf Wiedersehen!" Damit drehte sich der Hobbit um,

verschwand hinter der runden grünen Tür und schloß sie, so

schnell er es, ohne unhöflich zu erscheinen, wagen konnte, denn

Zauberer sind schließlich Zauberer.

Warum in aller Welt bat ich ihn bloß zum Tee! sagte er vor

sich hin, als er in die Speisekammer ging.

Zwar hatte er gerade gefrühstückt, aber er dachte, daß ein

Kuchen oder zwei und ein Schluck dazu ihm guttäten nach

diesem Schrecken.

Gandalf stand inzwischen noch immer vor der Tür und lachte

lange und leise. Nach einer Weile trat er näher, und mit der

Stockspitze kratzte er ein wunderliches Zeichen auf die' schöne

grüne Haustür.

Dann zog er davon, gerade als der Hobbit seinen zweiten

Kuchen beendet hatte und erleichtert aufatmete, weil er glaubte,

daß er nun glücklich alle Abenteuer vermieden hätte.

Am nächsten Tag hatte er Gandalf fast vergessen. Ein gutes

Gedächtnis war nicht seine Stärke, es sei denn, er benutzte sein

Notizbuch. Dann hätte er vielleicht eingetragen: Gandalf, Tee,

Mittwoch. Aber gestern war er dazu viel zu verwirrt gewesen.

Kurz vor der Teezeit hörte Bilbo ein furchtbares Gebimmel an

der Haustür. Da erinnerte er sich! Er rannte zur Küche, setzte

den Teekessel auf, holte eine zweite Tasse und Untertasse und

einen oder zwei Extrakuchen und lief zur Tür.

"Ich bin ganz untröstlich, daß ich Euch warten ließ" , wollte er

sagen, als er sah, daß keineswegs Gandalf vor ihm stand. Es war

ein Zwerg mit einem blauen Bart, den er hinter den Goldgürtel

gesteckt hatte, mit leuchtenden Augen unter seiner

dunkelgrünen Kapuze. Kaum war die Tür geöffnet, so zum

Abendbrot einladen würde. Dann schellte die Glocke lauter denn

je, und er mußte zur Tür rennen. Aber es waren nicht vier, es

waren fünf Ein anderer war dazugekommen, während Bilbo sich

noch in der Halle wunderte. Er hatte kaum den Türknopf

gedreht, als auch schon alle im Gang standen, sich verbeugten

und "zu Euren Diensten" sagten, einer nach dem anderen. Dori,

Nori, Ori, Oin und Gloin waren ihre Namen, und sehr schnell

hingen zwei purpurrote Kapuzenmäntel, ein grauer, ein brauner

und ein weißer an den Haken, und die Kerle steckten ihre

breiten Hände in die goldenen und silbernen Gürtel und gingen

los, um sich mit den anderen zu vereinen.

Nun war es wirklich beinahe ein Gedränge geworden. Einige

riefen nach Bier, andere nach Porter, einer nach Kaffee und alle

nach Kuchen, so daß der Hobbit für eine Weile durchaus

beschäftigt war.

Gerade hatte er einen großen Topf Kaffee in den offenen

Kamin gesetzt, die Kuchen waren übrigens ausgegangen, und

die Zwerge hatten sich auf eine Runde schöner mit Butter

bestrichener Weizenbrötchen verlegt, da kam ein lautes Pochen.

Kein Gebimmel, sondern ein hartes Pattpatt! von der

wunderschönen grünen Tür unseres Hobbits. Irgendwer klopfte

dort mit einem Stock an!

Bilbo rannte den Gang entlang. Er war wütend und wirr

zugleich. Dies war der widerwärtigste Mittwoch, den er je erlebt

hatte. Mit einem Ruck riß er die Tür auf - da fielen sie alle

herein, einer auf den anderen. Noch mehr Zwerge, noch einmal

vier! Und da stand auch Gandalf hinter ihnen. Er lehnte sich auf

seinen Stock und lachte. Er hatte eine tiefe Delle in die

wunderschöne Tür geschlagen und auf diese Weise das

Geheimzeichen beseitigt, das er einen Morgen zuvor dort

angebracht hatte.

"Vorsichtig! Vorsichtig!" sagte er. "Das ist doch sonst nicht

Eure Art, Bilbo, Freunde warten zu lassen und dann die Tür mit

einem Ruck aufzuziehen. Laßt mich vorstellen: Bifur, Bofur,

Bombur und besonders Thorin! "

"Zu Euren Diensten", sagten Bifur, Bofur und Bombur, die

sich in einer Reihe aufgestellt hatten. Dann hängten sie zwei

gelbe und eine blaßgrüne Kapuze auf, und es war auch eine

himmelblaue mit einer langen silbernen Quaste dabei. Sie

gehörte Thorin, einem überaus berühmten Zwerg. Es war der

große Thorin Eichenschild selber, und es behagte ihm

keineswegs, daß er flach auf Bilbos Fußmatte hinplumpste und

Bifur, Bofur und Bombur auf ihn drauffielen. Denn Bombur war

ungewöhnlich fett und schwer. Thorin blieb infolgedessen sehr

kühl und sagte nicht "zu Diensten". Aber der arme Mister

Beutlin bat so oft um Entschuldigung, daß Thorin schließlich so

etwas wie "es macht fast gar nichts" brummte und sogar

aufhörte, länger ärgerlich dreinzuschauen.

"Jetzt sind wir alle hier", sagte Gandalf, schaute die Reihe der

dreizehn Kapuzen entlang - die besten Gesellschaftskapuzen

übrigens, die zur Verfügung standen - und hängte seinen

eigenen Hut an den Haken. "Eine wirklich lustige

Versammlung. Ich hoffe, es ist noch etwas zu essen und zu

trinken übrig für die Zuspätkommer. Wie, Tee? Nein, vielen

Dank! Ein bißchen Rotwein, das wäre das Richtige für mich. "

"Auch für mich", fügte Thorin hinzu.

"Und Himbeermarmelade und Apfeltörtchen", sagte Bifur.

"Und Rosinenkuchen und Käse", sagte Bofur.

"Und schöne Pasteten und Salat", ergänzte Bombur.

"Und noch ein paar Kuchen - und Bier - und Kaffee, wenn es

Euch nichts ausmacht", riefen die anderen Zwerge durch die

Tür.

"Setzt ein paar Eier auf, Ihr seid wirklich ein großartiger

Kerl", rief Gandalf hinter ihm her, als der Hobbit zu seinen

Vorratskammern ging. "Und bringt kaltes Hühnchen mit und

Essiggurken! "

Es scheint, er kennt sich besser in meiner Speisekammer aus

als ich selbst, dachte Mister Beutlin, der sich völlig überrumpelt

fühlte und sich wunderte, in welch ein elendes Abenteuer er

geradewegs in seinem eigenen Haus hineingeraten war. Mit der

Zeit hatte er sämtliche Flaschen und Schüsseln, Messer und

Gabeln, Gläser und Platten und Löffel hoch auf riesige Tabletts

gehäuft. Ihm war sehr heiß, er sah rot aus, und er war richtig

ärgerlich.

"Zum Teufel mit diesen Zwergen. rief er laut. "Warum helfen

sie nicht ein bißchen?" Jetzt traue einer seinen Augen! Da

standen Balin und Dwalin in der Küchentür und Kili und Fili

dahinter, und bevor er noch "alle Wetter!" sagen konnte, hatten

sie die Tabletts schon fortgetragen, ein paar kleine Tische ins

Empfangszimmer gesetzt, und alles war ordentlich serviert.

Gandalf saß obenan, die dreizehn Zwerge saßen ihm zur Seite.

Bilbo aber hockte auf einem Stuhl am Kamin und knabberte an

einem Keks (der Appetit war ihm ziemlich vergangen). Er

versuchte ein Gesicht aufzusetzen, als ob dies alles vollkommen

in Ordnung sei und in keiner Weise ein Abenteuer für ihn. Die

Zwerge aßen und aßen und sprachen und sprachen, und die Zeit

ging dahin. Schließlich schoben sie ihre Stühle zurück, und

Bilbo machte eine Bewegung, als wolle er die Teller und Gläser

einsammeln.

"Ich denke, ihr bleibt noch zum Abendbrot", sagte er in

seinem höflichsten und ungezwungensten Ton. sind gleichsam

Bruchstücke ihres Liedes, wenn es ohne Musik und Reim

überhaupt ihrem Gesange gleichen kann : "Weit über die kalten

Nebelberge, zu den tiefen Verliesen und uralten Höhlen müssen

wir fort, ehe der Tag anbricht, das bleiche verzauberte Gold

suchen.

Die Zwerge der grauen Zeiten wußten mächtigen Zauber,

während die Hämmer wie klingende Glocken erklangen, im

Unterirdischen, wo die dunklen Geheimnisse schlafen, in den

großen Höhlen unter den kahlen Hügeln.

Für vergessene Könige und Elfenfürsten schufen sie

gleißende, güldene Schätze, schmiedeten, schafften, fingen das

Licht ein in den Edelsteinen dunkler Schwertgriffe.

Auf silberne Halsketten reihten sie glitzernde Sterne auf, in

Kronen fingen sie Drachenfeuer ein, in geflochtenen Drähten

verstrickten sie das Licht von Mond und Sonne.

Weit über die kalten Nebelberge müssen wir fort, ehe der Tag

anbricht, zu den tiefen Verliesen und uralten Höhlen und unser

lang vergessenes Gold suchen.

Die Kiefern rauschten auf der Höhe, und die Winde stöhnten

in der Nacht.

Das Feuer war rot und barst wie ein Glutball.

Die Bäume brannten hell wie Fackeln.

Dann tosten die Glocken unten im Tal, und die Menschen

schauten mit fahlen Gesichtern herauf : der Zorn des Drachen

entbrannte noch heller als Feuer, brach die Türme nieder und die

zerbrechlichen Häuser.

Und der Berg rauchte unter dem Mond, und die Zwerge

hörten den Schritt des Schicksals.

Sie flohen aus ihrer Halle, um sterbend zu fallen, unter

Drachentatzen, unter dem Mond.

Weit über die grimmigen Nebelberge, zu den tiefen Verliesen

und düsteren Hallen müssen wir fort, ehe der Tag anbricht, und

unsere Harfen, unser Gold heimholen. "

Während sie so sangen, verspürte der Hobbit in sich die Liebe

zu den wunderbaren Schätzen, die mit soviel Mühe und

Geschick geschaffen worden waren, und wie durch einen Zauber

entstand in ihm ein wütender, gieriger Wunsch, der auch die

Herzen der Zwerge erfüllte. Gleichzeitig erwachte etwas von der

Tukseite in ihm. Er sehnte sich danach, hinauszuziehen und die

großen Gebirge zu sehen und die Kiefern und Wasserfälle

rauschen zu hören, die Höhlen auszukundschaften und ein

Schwert zu tragen statt eines Spazierstocks. Er schaute aus dem

Fenster. Die Sterne standen an einem schwarzen Himmel hoch

über den Bäumen. Er dachte an die Juwelen der Zwerge, die in

dunklen Gewölben schimmerten. Plötzlich sprang am Horizont

jenseits des Wassers eine große Flamme auf (vielleicht hatte

jemand ein Feuer entzündet), und er mußte an plündernde

Drachen denken, die sich auf seinem ruhigen Berg niederließen

und alles in Flammen gekommen bin. Sobald ich einen Blick auf

diesen kleinen Burschen geworfen hatte, der auf der Fußmatte

herumhopste, da hatte ich meine Zweifel. Er sieht mehr nach

einem Krämer als nach einem Meisterdieb aus."

Da drehte Mister Beutlin den Türknopf und trat ein. Die

Tukseite hatte gewonnen. Er spürte, daß er ohne Bett und

Frühstück losziehen konnte, ja, sie sollten sehen, daß er wütend

und kampfhungrig war. Und was den kleinen Burschen anging,

der auf seiner Fußmatte herumhopste, so machte ihn das

wirklich wütend. Noch lange später bedauerte der Beutlin, was

er jetzt tat. Und er sagte zu sich: Bilbo, du warst ein Verrückter.

Du bist mit offenen Augen in dein Unglück gestolpert!

"Verzeiht", sagte er nämlich, "wenn ich einiges mit angehört

habe. Ich verstehe zwar nicht, worüber ihr euch unterhalten

habt, verstehe auch nicht eure Bemerkung über Meisterdiebe,

aber ich nehme an, daß ich richtig vermute (und das nannte er

Würde bewahren) - daß ihr mich für untauglich haltet.

Ich werde es euch zeigen. Ich habe keine Zeichen an meiner

Tür, sie wurde erst vor einer Woche gestrichen -, und ich bin

ganz sicher, daß ihr in das falsche Haus gekommen seid. Sobald

ich eure merkwürdigen Gesichter auf der Türschwelle sah, hatte

ich meine Zweifel. Aber betrachtet es nunmehr als das richtige

Haus. Erzählt mir, was ihr getan haben wollt, und ich werde es

versuchen, selbst wenn ich bis zum Ende der Welt marschieren

und mit den Lindwürmern in der letzten Wüste kämpfen müßte.

Ich hatte einen Ur-Ur-Ur-Großonkel! Stierbrüller Tuk."

"Ja, gewiß, aber das ist lange her", sagte Gloin. "Ich sprach

von Euch. Und ich versichere Euch, daß ein Zeichen an der Tür

war - das übliche im Geschäftsleben: ,Meisterdieb sucht gute

Arbeit mit viel Aufregungen und gegen angemessenen Lohn`.

So ist dieses Zeichen ja gewöhnlich zu verstehen. Ihr könnt auch

Bewährter Schatzjäger an Stelle von Meisterdieb sagen, wenn

das Euch besser gefällt.

Mancher tut es auch, aber für uns ist es ein und dasselbe.

Gandalf erzählte uns, daß es hier in dieser Gegend einen solchen

Mann gäbe, der gerade einen derartigen Posten sucht, und daß er

eine Zusammenkunft hier für diesen Mittwoch nachmittag

arrangiert habe."

"Natürlich ist das Zeichen da", sagte Gandalf, "ich habe es

selbst angebracht. Aus gutem Grund. Ihr batet mich, den

vierzehnten Mann für eure Expedition zu finden, und ich wählte

Mister Beutlin. Es soll mir bloß einer sagen, ich hätte den

falschen Mann oder das falsche Haus ausgesucht, und ihr könnt

euch mit dreizehn abfinden, könnt eurem Mißgeschick in die

Arme laufen oder zurückgehen und wieder Kohlen kratzen. "

Er runzelte die Stirn so fürchterlich, daß Gloin sich rasch in

seinen Stuhl drückte, und als Bilbo den Mund öffnen wollte, um

eine Frage zu stellen, drehte er sich um, starrte auch ihn an, und

seine buschigen Augenbrauen streckten sich so weit vor, daß

Bilbo den Mund zuschnappen ließ. "In Ordnung", sagte Gandalf.

"Keine Auseinandersetzungen mehr. Ich habe Mister Beutlin

ausgewählt, und das sollte euch genügen. Wenn ich sage, er ist

Meisterdieb, dann ist er ein Meisterdieb oder wird einer sein,

wenn die Zeit dazu kommt. Es steckt eine Menge mehr in ihm,

als ihr meint, und eine Menge mehr, als er selbst es ahnt.

Wahrscheinlich werdet ihr mir alle noch einmal dankbar dafür

sein.

Nun, Bilbo, mein Junge, holt die Lampe und laßt ein bißchen

Licht darauf fallen. "

Im Schein der Lampe mit dem roten Schirm breitete er auf

dem Tisch ein Stück Pergament aus, das wie eine Karte aussah.

"Dies hat Euer Großvater angefertigt, Thorin", entgegnete er

auf die aufgeregten Fragen der Zwerge.

"Es ist ein Plan des Berges."

"Mir scheint, das wird uns nicht viel helfen", sagte Thorin

enttäuscht nach einem kurzen Blick auf das Pergament. "Ich

erinnere mich gut genug an den Berg und die Länder in seiner

Umgebung, und ich weiß, wo der Nachtwald ist und die

Verwitterte Heide, wo die großen Drachen hausen. "

"Da ist oben auf dem Berg rot ein Drache eingezeichnet" ,

meinte Balin, "aber es dürfte nicht schwerfallen, ihn auch ohne

diesen Plan zu finden, wenn wir jemals dort oben ankommen. "

"Da ist jedoch ein Punkt, den Ihr nicht bemerkt habt", sagte

Gandalf, "und das ist der geheime Eingang: Seht Ihr diese Rune

auf der Westseite und die Hand, die von den anderen Runen her

darauf hinzeigt? Das bedeutet einen verborgenen Zugang zu den

unteren Gewölben. "

"Kann sein, daß dieser Zugang irgendwann einmal geheim

war", entgegnete Thorin, "aber wie können wir wissen, ob er

noch immer geheim ist? Der alte Smaug hat dort lange genug

gelebt, um alles herauszufinden, was es über diese Gewölbe

herauszufinden gibt."

"Möglich - aber er kann seit Jahr und Tag mit diesem Zugang

nichts anfangen. "

"Warum?"

"Weil der Eingang zu klein ist. Fünf Fuß hoch die Tür, und

drei passen nebeneinander, sagen die Runen. Aber Smaug

konnte in ein solches Loch nicht hineinkriechen, selbst nicht, als

er noch ein Jungdrache war, gewiß aber nicht, nachdem er so

viele Zwerge und Menschen aus dem Tal gefressen hat."

bezahlten uns ordentlich, besonders mit Lebensmitteln. Wir

brauchten uns daher nicht mehr damit abzumühen, das Gemüse

selbst anzubauen. Alles zusammengenommen : Es waren gute

Tage für uns, und selbst der _rmste hatte Geld genug

auszugeben und zu verleihen, hatte Muße, wunderbare Arbeiten

rein zum Spaß herzustellen, gar nicht zu reden von den

hübschen Zauberspielzeugen, die bis auf den heutigen Tag

nirgendwo anders auf der Welt mehr zu finden sind. So wurden

die Gewölbe meines Großvaters mit Rüstungen und Edelsteinen

gefüllt, mit Schnitzereien und Bechern, und die Spielzeugläden

von Dal waren ein Anblick, den man nicht mehr vergaß.

Zweifellos lockte gerade das den Drachen an. Drachen stehlen

Gold und Edelsteine, wie Ihr wißt, bestehlen Menschen und

Elben und Zwerge, wo auch immer sie etwas finden können.

Und sie hüten ihren Raub, solange sie leben (und das ist

praktisch ewig, wenn sie nicht umgebracht werden). Dabei

erfreuen sie sich nicht einmal an einem Messingring. Es ist

schon so : Sie können kaum ein gutes Werkstück von einem

schlechten unterscheiden, obwohl sie gewöhnlich eine sehr gute

Nase für seinen Verkaufspreis haben. Aber sie können nichts

selbst machen, nicht einmal eine lose Schuppe an ihrem

Schuppenpanzer befestigen. Nun, in jenen Tagen gab es eine

Menge Drachen im Norden.

Wahrscheinlich wurde das Gold dabei knapp. Die Zwerge

flohen nach Süden oder wurden getötet, und die allgemeine

Verwüstung und Verheerung, die die Drachen anrichteten,

wandte alles vom Schlechten zum Schlechteren. Unter ihnen gab

es einen besonders gierigen, starken und verschlagenen

Drachen, Smaug genannt. Eines Tages flog er auf und kam nach

Süden. Das erste, was wir von ihm hörten, war ein Lärm wie

von einem wilden Sturm, der aus dem Norden heranwirbelte.

Die Bergkiefern krachten und zerbrachen im Sturm. Einige

Zwerge, die das Glück hatten, draußen zu sein (und ich war

einer von den glücklichen, ein prächtiger draufgängerischer

Bursche in jenen Tagen, immerzu auf Wanderschaft, und das

rettete mir an diesem Tage das Leben) - gut also, aus

angemessener Entfernung sahen wir, wie der Drache sich auf

unserem Berg in einer riesigen Flamme niederließ.

Dann kam er den Hang herab, und als er die Wälder erreichte,

da gingen sie in Flammen auf. In dieser Stunde läuteten alle

Glocken in Dal. Die Krieger rüsteten sich, die Zwerge stürzten

aus dem großen Tor - aber dort wartete der Drache auf sie. Auf

diesem Weg entkam keiner. Der Fluß zerkochte in weißem

Dampf, ein dichter Nebel senkte sich auf Dal herab, und da fiel

auch schon der Drache über die Krieger her und vernichtete die

meisten - es war das übliche unglückselige Geschick, nur zu

üblich in jenen Tagen. Dann ging Smaug zurück und kroch

durch das Haupttor und stöberte in allen Hallen und Gängen, in

Stollen und Gäßchen, in Kellern, Wohnungen und Durchgängen

umher. Danach war im Berginnern kein Zwerg mehr am Leben,

und er nahm all ihre Reichtümer in Besitz.

Wahrscheinlich, denn das ist Drachengewohnheit, hat Smaug

alles tief in der Erde auf einen großen Haufen gestapelt und

schläft darauf wie auf einem Bett. Später kroch er oft aus dem

großen Tor heraus, kam bei Nacht nach Dal und schleppte Leute

weg, besonders Jungfrauen, um sie aufzufressen - bis Dal

zerstört und alles Volk tot oder geflohen war. Was jetzt dort

vorgeht, weiß ich nicht. Aber ich vermute, daß heutzutage

niemand näher am Berge wohnt als am äußersten Ende des

Langen Sees.

Die wenigen von uns, die draußen waren, verbargen sich und

weinten und verfluchten Smaug.

Plötzlich stießen eines Tages mein Vater und mein Großvater

mit versengten Bärten zu uns. Sie sahen sehr grimmig aus,

sagten aber sehr wenig. Wenn ich sie fragte, wie sie

herausgekommen wären, bedeuteten sie mir, ich solle meine

Zunge hüten, und sie sagten, daß ich eines Tages zur rechten

Zeit alles wissen würde. Danach zogen wir fort. Wir mußten

unser Leben fristen, so gut wir konnten, da und dort in den

Ländern. Oft genug sanken wir bis zum Hufschmied hinab, oder

wir mußten sogar in die Kohlenbergwerke gehen. Aber niemals

haben wir unseren gestohlenen Schatz vergessen. Und gerade

jetzt, da ich mir erlauben darf zu sagen, daß wir eine ganz

schöne Menge beiseite gelegt haben und daß es uns durchaus

nicht schlecht geht" Thorin strich über die goldene Kette, die um

seinen Hals hing, "hoffen wir noch immer, ihn zurückzuerhalten

und unsere Flüche über Smaug zu bringen - falls es uns

verstattet ist.

Ich habe mich oft über die Flucht meines Vaters und meines

Großvaters gewundert. Jetzt sehe ich, daß sie eine Nebentür

benutzten, die nur ihnen allein bekannt war. Augenscheinlich

zeichneten sie auch eine Karte. Doch jetzt möchte ich wissen,

wie Gandalf sich ihrer bemächtigte und warum sie nicht auf

mich, den rechtmäßigen Erben, gekommen ist."

"Ich habe mich nicht ihrer bemächtigt", sagte Gandalf. "Sie

wurde mir gegeben. Euer Großvater wurde getötet, wie Ihr Euch

erinnert, von einem Ork in den Bergwerken von Moria."

"Verflucht sei der Ork", warf Thorin ein.

"Und Euer Vater ging am 21. April, am letzten Donnerstag

vor hundert Jahren, fort, und Ihr habt ihn seitdem nicht mehr

gesehen. "

"Wahr, wahr", sagte Thorin.

Bilbo sprang auf, zog seinen Morgenrock an und ging in das

Speisezimmer. Dort sah er niemand, fand jedoch alle Zeichen

eines ausgedehnten, aber eiligen Frühstücks. In dem Zimmer

war ein Durcheinander zum Fürchten, und Haufen von

ungespültem Geschirr standen in der Küche; fast alle Töpfe und

Pfannen, die er besaß, schienen gebraucht zu sein. Der

Aufwasch war traurige Tatsache.

Bilbo mußte einsehen, daß die Gesellschaft der Nacht zuvor

keineswegs einem Alptraum entsprungen war, wie er fast

gehofft hatte. Nach allem war er sogar erleichtert bei dem

Gedanken, daß die ungebetenen Gäste ohne ihn fortgegangen

waren und ihn nicht einmal geweckt hatten (aber ohne ein

Dankeschön, dachte Bilbo). Er fühlte sich ein bißchen

enttäuscht. Und dies Gefühl überraschte ihn. Sei kein Narr,

Bilbo Beutlin! sagte er zu sich selbst. In deinem Alter an

Drachen und all den ausländischen Unsinn zu denken! So band

er sich eine Schürze um, machte Feuer, ließ Wasser kochen und

wusch auf. Dann verzehrte er ein hübsches kleines Frühstück in

der Küche, bevor er das Speisezimmer auskehrte. Die Sonne

schien, die Haustür stand offen und ließ eine warme

Frühlingsbrise herein. Bilbo begann laut zu pfeifen und die

vergangene Nacht zu vergessen. Gerade hatte er sich im

Speisezimmer am offenen Fenster zu einem kleinen zweiten

Frühstück niedergesetzt, als Gandalf hereinkam.

"Mein lieber Junge", sagte er, "wann gedenkt Ihr eigentlich zu

kommen? Wie war das mit dem frühen Aufbruch? Und hier sitzt

Ihr nun beim Frühstück, oder wie Ihr es nennt, um halb elf! Sie

haben Euch doch eine Nachricht hinterlassen, weil sie nicht

warten konnten. "

"Eine Nachricht?" fragte der arme Mister Beutlin ganz

verwirrt.

"Du lieber Himmel!" antwortete Gandalf. "Ich kenne Euch

nicht wieder. Habt Ihr denn den Kaminsims noch nicht

abgestaubt?"

"Was hat das damit zu tun? Ich habe genug mit dem Abwasch

für vierzehn zu schaffen gehabt!"

"Hättet Ihr den Kaminsims abgestaubt, so hättet Ihr dies hier

unter der Uhr gefunden", sagte Gandalf und übergab Bilbo einen

Brief (der natürlich auf Bilbos eigenem Briefpapier geschrieben

war). Da war folgendes zu lesen: "Thorin & Companie grüßen

den Meisterdieb Bilbo! Für Eure Gastfreundschaft unseren

aufrichtigen Dank, und für Euer Angebot beruflicher

Hilfeleistung unsere freundliche Annahme. Bedingungen:

Auszahlung bei Ablieferung. Der Betrag darf den 14. Teil des

Gesamtgewinns, wenn es überhaupt welchen geben sollte,

erreichen, darf ihn aber keinesfalls überschreiten, alle

Reisekosten in jedem Falle garantiert; Begräbniskosten werden

von uns oder unseren Vertretern getragen, falls sich die

Notwendigkeit ergeben sollte und die Angelegenheit nicht auf

andere Weise geregelt werden kann. Da wir es nicht für

notwendig erachten, Eure hochgeschätzte Ruhe zu stören, sind

wir vorausgegangen, um unsere Vorbereitungen zu treffen, und

werden Eure geachtete Persönlichkeit beim Gasthaus, Zum

grünen Drachen` zu Wassernach Punkt elf erwarten. Hoffend,

daß Ihr pünktlich sein werdet, haben wir die Ehre zu verbleiben

Eure sehr verbundene Thorin & Co."

"Das läßt Euch gerade noch zehn Minuten. Ihr müßt laufen",

bemerkte Gandalf.

"Aber -", sagte Bilbo.

"Keine Zeit dafür", sagte der Zauberer.

"Aber ich - ", fing Bilbo noch einmal an.

"Auch dafür keine Zeit! Ihr müßt losgehen. "

Bis zum Ende seiner Tage konnte Bilbo sich nicht erinnern,

wie er herausgekommen war, ohne Hut, ohne Spazierstock und

ohne Geld, ohne irgend etwas, das er gewöhnlich mit sich nahm,

wenn er ausging. Sein zweites Frühstück ließ er halb beendet

und das Geschirr ungespült. Die Schlüssel drückte er Gandalf in

die Hand, und dann rannte er, so schnell wie seine bepelzten

Füße ihn den Weg hinuntertrugen, an der großen Mühle vorbei

über das Wasser und dann eine ganze Meile weiter oder mehr.

Er schnaufte mächtig, als er Wassernach genau auf den

Glockenschlag elf erreichte. Und dabei entdeckte er, daß er ohne

Taschentuch unterwegs war!

"Bravo!" sagte Balin, der an der Wirtshaustür nach ihm

Ausschau gehalten hatte.

Gerade in diesem Augenblick kamen die anderen um die

Wegkehre vom Dorf her. Sie saßen auf Ponys, und jedes Pony

war bepackt mit allen möglichen Gepäckstücken, Paketen,

Bündeln und Ausrüstungsgegenständen. Es war auch ein sehr

kleines Pony dabei, augenscheinlich für Bilbo.

"Auf, ihr zwei, und los geht's!" sagte Thorin. "Es tut mir

schrecklich leid, entgegnete Bilbo, "aber ich bin ohne Hut

gekommen, habe mein Taschentuch vergessen und kein Geld

eingesteckt. Um genau zu sein: Ich habe euren Brief erst nach

10.45 Uhr bekommen. "

Da saßen sie klamm und naß und laut brummend, während

Oin und Gloin es noch einmal mit dem Feuer versuchten und

sich dabei in die Haare gerieten. Bilbo dachte gerade traurig

darüber nach, daß Abenteuer durchaus nicht nur Spazierritte auf

dem Pony im Maisonnenschein waren, als Balin, der stets den

Ausguck übernahm, herüberrief: "Da droben ist ein Licht!" Sie

lagerten nicht weit von einem Berg, der teilweise dicht bewaldet

war. Zwischen den dunklen Stämmen konnte man ein Licht

scheinen sehen, ein rötliches, sehr angenehm aussehendes Licht,

vielleicht ein Feuer oder eine flackernde Fackel.

Nachdem sie eine Weile hingeschaut hatten, begannen sie zu

streiten. Einige sagten nein, und andere sagten ja. Einige sagten,

wer wollte, könnte ja gehen und nachschauen, und das wäre am

Ende besser als wenig Abendbrot und noch weniger Frühstück

und nasse Kleider die ganze Nacht.

Wieder andere sagten: "Diese Landstriche sind nicht genug

erforscht. Sie liegen zu nahe am Gebirge.

Reisende kommen nicht so weit, die alten Karten taugen

nichts, und die Straße ist unbewacht. Man hat auch noch gar

nichts von dem König hierherum gehört, und je weniger genau

einer hinschaut, wenn er hier durchzieht, desto weniger Verdruß

wird er haben." Einige sagten: "Schließlich sind wir vierzehn."

Andere fragten: "Wohin ist Gandalf verschwunden?" Diese

Bemerkung wurde von allen wiederholt. Dann begann der

Regen herabzurauschen, schlimmer denn je, und Oin und Gloin

gerieten sich abermals in die Wolle.

Das gab den Ausschlag. "Wie es auch sei : Wir haben einen

Meisterdieb bei uns", sagten sie. Und so machten sie sich auf

und führten ihre Ponys (mit aller gebührenden Vorsicht) auf den

Lichtschein zu.

Sie kamen an den Fuß des Berges und waren bald im Wald.

Sie gingen den Berg hinauf, aber es war kein ordentlicher Pfad

zu sehen, der vielleicht zu einem Haus oder zu einem Bauernhof

hätte führen können. Sie taten, was sie konnten, und machten

doch allerhand Krach, Geraschel und Geknarre, als sie zwischen

den Bäumen in pechschwarzer Nacht dahinzogen (und ein gut

Teil Murren und Fluchen kam auch dazu).

Plötzlich schimmerte das rote Licht ganz hell und gar nicht

weit vor ihnen durch die Bäume.

"Jetzt ist unser Meisterdieb an der Reihe" sprachen sie und

schauten Bilbo an.

"Geht los und kundschaftet dieses Licht aus, seht zu, warum

es leuchtet und ob dort alles sicher und ohne Gefahr ist", sagte

Thorin zu dem Hobbit. "Geht jetzt und kommt rasch zurück,

falls alles in Ordnung ist. Wenn nicht, dann kommt zurück, falls

Ihr könnt! Falls es aber nicht geht, dann heult zweimal lang wie

eine Schleiereule und einmal kurz wie eine Baumeule, und dann

wollen wir tun, was wir können. "

Bilbo mußte losgehen, bevor er erklären konnte, daß er

überhaupt wie keine einzige Eulensorte zu heulen verstand.

Ebensogut hätte man verlangen können, er solle wie eine

Fledermaus fliegen. Aber wie dem auch sei, Hobbite können

sich lautlos in den Wäldern vorwärts bewegen. Sie sind stolz

darauf. Mehr als einmal hatte Bilbo schon verächtlich über das

geschnauft, was er den "Zwergenspektakel" nannte, wenn die

Kerle so dahertapsten - obgleich weder ihr noch ich in einer

solch stürmischen Nacht irgend etwas vernommen hättet, nicht

einmal, wenn die ganze Gesellschaft in zwei Schritt Entfernung

vorübergerumpelt wäre. Bilbo pirschte sich also an den roten

Lichtschein heran, und nicht einmal einem Wiesel zuckte ein

Schnurrbarthaar. Bilbo ging geradewegs auf das Feuer zu - denn

ein Feuer war es -, ohne irgendwen aufzustören. Und dies sah

unser Hobbit: Drei mächtig große Kerle saßen rund um ein

gewaltiges Feuer aus Buchenstämmen. Sie brieten

Hammelfleisch an langen hölzernen Bratspießen und leckten das

Fett von ihren Fingern. Ein außerordentlich wohltuender Duft

stach ihm in die Nase. Auch stand ein Faß mit einem guten

Tropfen neben ihnen, und die Kerle tranken aus Krügen. Es

waren augenscheinlich Trolle. Selbst Bilbo, trotz seines bisher

wohlgeordneten Lebens, konnte das sehen: an den groben

Gesichtern, an ihrer Größe, an der Länge ihrer Beine - nicht zu

erwähnen ihre Sprache, die keineswegs gepflegt war.

Keineswegs.

"Hammelfleisch gestern, Hammelfleisch heute, und

verdammich, wenn es nicht morgen auch nach Hammelfleisch

riecht", sagte einer von den Trollen.

"Seit langem haben wir nicht einen winzigen Fetzen

Menschenfleisch gegessen", sagte der zweite.

"Was zur Hölle hat Bill sich dabei gedacht, als er Uns in diese

Gegend brachte. Und noch schlimmer: Das Gesöff wird auch

schon alle." Dabei stieß er Bill, der gerade einen tiefen Zug aus

dem Krug tat, am Ellbogen an. Bill verschluckte sich. "Halt dein

Maul!" sagte er, sobald er die Sprache wiederfand.

"Ihr könnt doch nicht erwarten, daß die Leute hierbleiben und

von dir und Bert gefressen werden wollen. Mittlerweile habt ihr

zusammen eineinhalb Dörfer gefressen, seit wir aus dem

Gebirge herunterkamen. Wieviel wollt ihr denn noch fressen? Es

wäre längst an der Zeit gewesen, für einen solch netten fetten

Hammelbrocken, wie dies einer war, danke schön zu sagen!"

Dabei riß er einen ordentlichen Fetzen von der Hammelkeule,

die er gerade röstete, und wischte sich den Mund am _rmel ab.

Ja, es ist schlimm, Trolle benehmen sich nun einmal so, selbst

diejenigen, die nur einen Kopf haben.

Hunde ineinander und warfen einander alle möglichen

durchaus zutrefFenden Schimpfnamen an den Kopf. Bald hatten

sie sich gegenseitig im Schwitzkasten und rollten beinahe ins

Feuer. Sie traten und schlugen um sich, während Tom mit einem

Ast auf sie losprügelte, um sie wieder zu Verstand zu bringen.

Aber das machte sie natürlich nur noch verrückter.

Jetzt wäre es für Bilbo an der Zeit gewesen, endgültig zu

verschwinden. Aber sein armer kleiner Fuß war in Berts Pranke

sehr gequetscht worden, auch hatte er keine Luft mehr, und in

seinem Kopf drehte sich alles um und um. Japsend blieb Bilbo

außerhalb des vom Feuer beleuchteten Kreises liegen.

Mitten während des Kampfes erschien Balin. Die Zwerge

hatten aus der Entfernung den Lärm gehört, und nachdem sie

eine Weile auf Bilbo oder auf einen Eulenruf gewartet hatten,

kroch einer nach dem anderen, so leise er es vermochte, auf das

Licht zu. Kaum sah Tom den heranschleichenden Balin in den

Lichtkreis treten, als er ein schreckliches Geheul von sich gab.

Trolle verabscheuen ganz einfach den Anblick von Zwergen

(ungekochten). Bert und Bill hörten sofort auf zu kämpfen und

schrien: "Ein Sack, Tom, rasch!" Bevor Balin, der sich

wunderte, wo Bilbo bei all diesem Durcheinander steckte,

begriff, was geschah, hatte er schon einen Sack überm Kopf und

lag auf dem Boden.

"Da wird leicht noch mehr kommen", rief Tom, "oder ich muß

mich mächtig täuschen. Massenweise und nicht ein einziger:

Das ist es sagte er. "Keine Meisterhobbits aber eine ganze Masse

von diesen Zwergen hier. So also ist das zu verstehen!"

"Ich schätze, du hast recht", entgegnete Bert. "Am besten, wir

gehen aus dem Licht."

Und das taten sie auch. Mit Säcken in den Händen, die sie

sonst dazu brauchten, Hammel und anderen Raub

wegzuschleppen, warteten sie im Schatten. Jedesmal, wenn ein

Zwerg herankam und überrascht das Feuer anschaute; die

umgeschütteten Krüge und das angenagte Hammelfleisch hopp!

da hatte er einen häßlichen, übelriechenden Sack über dem Kopf

und lag auf der Erde. Bald lag Dwalin neben Balin und Fili

neben Kili, und Dori, Nori und Ori lagen auf einem Haufen, und

Oin und Gloin, Bifur, Bofur und Bombur stapelten sich

verhängnisvoll nahe beim Feuer.

"Das wird ihnen eine Lehre sein", sagte Tom, denn Bifur und

Bombur hatten eine Menge Mühe gemacht. Sie hatten gefochten

wie die Irren, wie Zwerge es tun, wenn sie in die Enge getrieben

werden.

Thorin kam zuletzt - aber er ließ sich nicht ahnungslos

überrumpeln. Er hatte schon ein Unglück voraus geahnt und

brauchte nicht erst die Beine seiner Freunde aus den Säcken

ragen zu sehen, da begriff er schon, daß nicht alles zum besten

stand. Er blieb im Schatten und fragte: "Was ist hier los?

Wer hat meine Leute niedergeschlagen? "

"Das sind die Trolle!" erwiderte Bilbo hinter einem Baum.

Die Kerle hatten ihn ganz vergessen. "Mit Säcken lauern sie in

den Sträuchern", fügte er hinzu.

"Oh! Tatsache?" sagte Thorin, und schon sprang er vorwärts

zum Feuer, bevor sie ihn erwischen konnten. Er griff einen

dicken, an seinem Ende hellodernden Ast, und Bert bekam

dieses Ende ins Auge, ehe er wegspringen konnte. Das setzte ihn

für eine Weile außer Gefecht.

Auch Bilbo tat sein Bestes. Er bekam Toms Bein zu fassen so

gut das ging, denn es war so dick wie ein junger Baumstamm.

Aber er wurde auf ein Gebüsch hinaufgewirbelt, und Tom trat

Thorin Funken ins Gesicht. Dafür bekam Tom den Ast in die

Zähne und verlor einen von den vorderen. Er heulte ganz schön

auf, das kann ich euch erzählen. Aber gerade in diesem

Augenblick kam Bill von hinten heran und warf einen Sack

genau auf Thorins Kopf und herunter bis zu seinen Zehen.

Damit war der Kampf zu Ende.

Sie saßen nun ganz hübsch in der Falle. Sauber in Säcke

gebunden, mit drei wütenden Trollen, die daneben hockten

(zwei davon mit Brandblasen und Beulen) und stritten, ob sie

die Gesellschaft nun langsam rösten sollten oder kleinhacken

und kochen oder ob sie sich nur der Reihe nach draufsetzen und

sie zu Sülze zerquetschen sollten. Und Bilbo hing oben im

Gesträuch, Kleider und Haut zerrissen, und wagte sich nicht zu

bewegen, aus Furcht, daß sie ihn hören könnten.

Gerade in diesem Augenblick kam Gandalf zurück. Aber

niemand sah ihn. Die Trolle hatten inzwischen beschlossen, die

Zwerge sofort zu rösten und erst später zu essen. übrigens war

dies Berts Gedanke.

Nach vielem Gerede hatten sie ihm zugestimmt.

"Zu blöd, die Burschen jetzt zu rösten. Das würde die ganze

Nacht dauern", sagte eine Stimme. Bert nahm an, es wäre Bill.

"Fang bloß nicht wieder mit der Streiterei an, Bill! " sagte er,

"oder es wird tatsächlich die ganze Nacht dauern. "

"Wer streitet?" fragte Bill, denn er dachte, Bert hätte

gesprochen.

"Du, wer denn sonst", antwortete Bert.

Hunde ineinander und warfen einander alle möglichen

durchaus zutreffenden Schimpfnamen an den Kopf. Bald hatten

sie sich gegenseitig im Schwitzkasten und rollten beinahe ins

Feuer. Sie traten und schlugen um sich, während Tom mit einem

Ast auf sie losprügelte, um sie wieder zu Verstand zu bringen.

Aber das machte sie natürlich nur noch verrückter.

Jetzt wäre es für Bilbo an der Zeit gewesen, endgültig zu

verschwinden. Aber sein armer kleiner Fuß war in Berts Pranke

sehr gequetscht worden, auch hatte er keine Luft mehr, und in

seinem Kopf drehte sich alles um und um. Japsend blieb Bilbo

außerhalb des vom Feuer beleuchteten Kreises liegen.

Mitten während des Kampfes erschien Balin. Die Zwerge

hatten aus der Entfernung den Lärm gehört, und nachdem sie

eine Weile auf Bilbo oder auf einen Eulenruf gewartet hatten,

kroch einer nach dem anderen, so leise er es vermochte, auf das

Licht zu. Kaum sah Tom den heranschleichenden Balin in den

Lichtkreis treten, als er ein schreckliches Geheul von sich gab.

Trolle verabscheuen ganz einfach den Anblick von Zwergen

(ungekochten). Bert und Bill hörten sofort auf zu kämpfen und

schrien: "Ein Sack, Tom, rasch!" Bevor Balin, der sich

wunderte, wo Bilbo bei all diesem Durcheinander steckte,

begriff, was geschah, hatte er schon einen Sack überm Kopf und

lag auf dem Boden.

"Da wird leicht noch mehr kommen", rief Tom, "oder ich muß

mich mächtig täuschen. Massenweise und nicht ein einziger:

Das ist es sagte er. "Keine Meisterhobbits aber eine ganze Masse

von diesen Zwergen hier. So also ist das zu verstehen!"

"Ich schätze, du hast recht", entgegnete Bert. "Am besten, wir

gehen aus dem Licht."

Und das taten sie auch. Mit Säcken in den Händen, die sie

sonst dazu brauchten, Hammel und anderen Raub

wegzuschleppen, warteten sie im Schatten. Jedesmal, wenn ein

Zwerg herankam und überrascht das Feuer anschaute; die

umgeschütteten Krüge und das angenagte Hammelfleisch hopp!

da hatte er einen häßlichen, übelriechenden Sack über dem Kopf

und lag auf der Erde. Bald lag Dwalin neben Balin und Fili

neben Kili, und Dori, Nori und Ori lagen auf einem Haufen, und

Oin und Gloin, Bifur, Bofur und Bombur stapelten sich

verhängnisvoll nahe beim Feuer.

"Das wird ihnen eine Lehre sein", sagte Tom, denn Bifur und

Bombur hatten eine Menge Mühe gemacht. Sie hatten gefochten

wie die Irren, wie Zwerge es tun, wenn sie in die Enge getrieben

werden.

Thorin kam zuletzt - aber er ließ sich nicht ahnungslos

überrumpeln. Er hatte schon ein Unglück vorausgeahnt und

brauchte nicht erst die Beine seiner Freunde aus den Säcken

ragen zu sehen, da begriff er schon, daß nicht alles zum besten

stand. Er blieb im Schatten und fragte: "Was ist hier los?

Wer hat meine Leute niedergeschlagen? "

"Das sind die Trolle!" erwiderte Bilbo hinter einem Baum.

Die Kerle hatten ihn ganz vergessen. "Mit Säcken lauern sie in

den Sträuchern", fügte er hinzu.

"Oh! Tatsache?" sagte Thorin, und schon sprang er vorwärts

zum Feuer, bevor sie ihn erwischen konnten. Er griff einen

dicken, an seinem Ende hellodernden Ast, und Bert bekam

dieses Ende ins Auge, ehe er wegspringen konnte. Das setzte ihn

für eine Weile außer Gefecht.

Auch Bilbo tat sein Bestes. Er bekam Toms Bein zu fassen so

gut das ging, denn es war so dick wie ein junger Baumstamm.

Aber er wurde auf ein Gebüsch hinaufgewirbelt, und Tom trat

Thorin Funken ins Gesicht. Dafür bekam Tom den Ast in die

Zähne und verlor einen von den vorderen. Er heulte ganz schön

auf, das kann ich euch erzählen. Aber gerade in diesem

Augenblick kam Bill von hinten heran und warf einen Sack

genau auf Thorins Kopf und herunter bis zu seinen Zehen.

Damit war der Kampf zu Ende.

Sie saßen nun ganz hübsch in der Falle. Sauber in Säcke

gebunden, mit drei wütenden Trollen, die daneben hockten

(zwei davon mit Brandblasen und Beulen) und stritten, ob sie

die Gesellschaft nun langsam rösten sollten oder kleinhacken

und kochen oder ob sie sich nur der Reihe nach draufsetzen und

sie zu Sülze zerquetschen sollten. Und Bilbo hing oben im

Gesträuch, Kleider und Haut zerrissen, und wagte sich nicht zu

bewegen, aus Furcht, daß sie ihn hören könnten.

Gerade in diesem Augenblick kam Gandalf zurück. Aber

niemand sah ihn. Die Trolle hatten inzwischen beschlossen, die

Zwerge sofort zu rösten und erst später zu essen. übrigens war

dies Berts Gedanke.

Nach vielem Gerede hatten sie ihm zugestimmt.

"Zu blöd, die Burschen jetzt zu rösten. Das würde die ganze

Nacht dauern", sagte eine Stimme. Bert nahm an, es wäre Bill.

"Fang bloß nicht wieder mit der Streiterei an, Bill! " sagte er,

"oder es wird tatsächlich die ganze Nacht dauern. "

"Wer streitet?" fragte Bill, denn er dachte, Bert hätte

gesprochen.

"Du, wer denn sonst", antwortete Bert.

"Du bist ein Lügner", sagte Bill. Und schon begann der Streit

von neuem. Am Ende beschlossen sie, die Zwerge fein zu

hacken und sie zu kochen. Sie holten also einen großen

schwarzen Topf herbei und zogen ihre Messer heraus.

"Zu blöd, die Burschen zu kochen! Wir haben kein Wasser da,

und es ist ein ganz schöner Weg bis hinunter zur Quelle", sagte

eine Stimme. Bert und Bill dachten, es wäre Tom.

"Halt's Maul!" schrien sie. "Oder wir schaffen es nie. Und du

kannst das Wasser selbst holen, wenn du noch ein Wort sagst."

"Halt du gefälligst dein Maul!" rief Tom, der annahm, er hätte

Bills Stimme gehört. "Ich möchte bloß wissen, warum du

dauernd nörgeln mußt."

"Du bist ein Dämlack", sagte Bill.

"Ein Dämlack bist du selbst!" schrie Tom wütend zurück. Und

so begann die Streiterei schon wieder und wurde hitziger denn

je, bis sie schließlich übereinkamen, sich auf einen Sack nach

dem anderen zu setzen, die Zwerge zu zerquetschen und sie

morgen zu kochen.

"Auf welchen Sack wollen wir uns zuerst setzen?" fragte die

Stimme.

Am besten setzen wir uns auf den letzten zuerst", antwortete

Bert, dessen Auge von Thorin ganz schön beschädigt worden

war. Er dachte, Tom hätte gesprochen.

"Red' nicht mit dir selbst! " rief Tom. "Aber wenn du gern auf

dem letzten sitzen willst, setz dich doch drauf Welcher ist es

denn?"

"Der mit den gelben Strümpfen", sagte Bert.

"Unsinn, der mit den grauen Strümpfen", widersprach eine

Stimme, die Bills ähnelte.

"Ich bin aber sicher, daß sie gelb waren", behauptete Bert.

"Klar, sie waren gelb", sagte Bill.

"Warum hast du dann aber gesagt, daß sie grau waren?" fragte

Bert.

"Ich? Niemals. Tom hat es gesagt."

"Das hab ich nie gesagt!" rief Tom wütend. "Du warst es!"

"Zwei zu eins, und jetzt halt dein Maul!" sagte Bert.

"Mit wem sprichst du eigentlich?" fragte Bill.

"Mach endlich Schluß!" riefen Tom und Bert gleichzeitig.

"Die Nacht geht vorbei, und die Dämmerung kommt früh.

Fangen wir endlich an. "

"Die Dämmerung hol euch alle, und zu Stein sollt ihr

werden!" sagte eine Stimme, die klang, als ob es Bills Stimme

wäre. Aber das war sie keineswegs. Denn gerade in diesem

Augenblick wurde es hell über dem Hügel, und ein mächtiges

Zittern lief durch die Zweige. Bill machte seinen Mund nicht

mehr auf, denn er hatte sich in einen Stein verwandelt, als er

sich bückte. Und Bert und Tom wurden zu Felsen, als sie sich

nach ihm umschauten. Und so stehen sie noch bis auf den

heutigen Tag. Ganz einsam, wenn sich nicht gerade ein Vogel

auf sie setzt. Denn Trolle, wie ihr wahrscheinlich wißt, müssen

vor der Dämmerung unter der Erde sein - oder sie werden

wieder zu Gebirgsgestein, aus dem sie gemacht sind, und rühren

sich nie mehr. Und so geschah es mit Bert, Tom und Bill.

"Ausgezeichnet", sagte Gandalf, als er hinter dem Gesträuch

hervortrat und Bilbo half, aus dem Dornbusch herabzuklettern.

Da begriff der gute Bilbo. Es war des Zauberers Stimme

gewesen, die die Trolle so lange nörgeln und streiten ließ, bis

das Licht kam und ein Ende mit ihnen machte.

Das nächste war, die Säcke aufzubinden und die Zwerge

herauszulassen. Sie waren nahezu erstickt und sehr übel gelaunt.

Nun, es war ja auch wirklich keine Freude, dazuliegen und den

Plänen der Trolle zuzuhören, die sie rösten, zerquetschen und

zerhacken wollten. Bilbo mußte zweimal berichten, wie es ihm

ergangen war, bis die Zwerge wirklich zufrieden waren.

"Eine blödsinnige Gelegenheit, sich in der Meister- und der

Taschendieberei zu üben" ,bemerkte Bombur, "was wir

brauchten, war ein Feuer und etwas zu essen!"

"Und gerade das hättet ihr von diesen Burschen ohne einen

Kampf nun einmal nicht erhalten", sagte Gandalf. "Jedenfalls

vergeudet jetzt nicht eure Zeit. Könnt ihr euch nicht vorstellen,

daß die Trolle hier in der Nähe eine Höhle oder ein Loch haben

müssen, wo sie sich vor der Sonne versteckten? Wir müssen uns

umschauen!"

Sie suchten die Umgebung ab, und bald fanden sie die Spuren

der Steinschuhe ihrer Trolle, die fort in den Wald führten. Sie

folgten ihnen bergauf, bis sie, durch Gebüsch verborgen, ein

starkes Felstor entdeckten, das zu einer Höhle führte. Aber sie

konnten es nicht öffnen, selbst als sie sich alle

dagegenstemmten. Gandalf versuchte inzwischen einige

Zauberformeln.

"Könnte uns das vielleicht helfen fragte Bilbo, nachdem sie

müde und ärgerlich geworden waren. "Ich fand es auf dem Platz,

die Trolle sich herumgeschlagen haben." Er hielt einen

großen Schlüssel in der Hand, den Bill ohne Zweifel für sehr

klein und geheim gehalten hatte. Er mußte ihm aus der Tasche

gefallen sein, bevor er zu Stein wurde.

"Warum in aller Welt habt Ihr das nicht vorher gesagt?" riefen

sie. Gandalf ergriff den Schlüssel und steckte ihn in das

Schlüsselloch. Das Felstor drehte sich mit kräftigem Schwung

nach innen, und sie stolperten hinein. Da lagen Knochen auf

dem Boden, und ein scheußlicher Geruch stand in der Luft.

Aber es gab hier eine ganze Menge an Eßbarem, achtlos auf

Brettern und dem Erdboden aufgestapelt.

Darunter befand sich ein unordentlicher Haufen von

geraubtem Zeug, angefangen mit Messingknöpfen bis zu Töpfen

voller Goldstücke, die in einer Ecke standen. Eine Menge

Kleider baumelte an den Wänden - aber sie waren zu klein für

Trolle, und ich fürchte, sie gehörten einmal ihren Opfern.

Zwischen ihnen hingen Schwerter verschiedener Form, Art und

Größe. Besonders zwei nahmen ihre Blicke wegen der

wunderbaren Schwertscheiden und der mit Juwelen besetzten

Griffe gefangen.

Gandalf und Thorin ergriffen jeder eines, und Bilbo nahm ein

Messer, das in einer Lederscheide stak.

Für einen Troll wäre es höchstens ein winziges

Taschenmesser gewesen. Aber für einen Hobbit war es geradezu

ein Kurzschwert.

"Das sieht nach guten Klingen aus", sagte der Zauberer, der

sie halb herauszog und aufmerksam betrachtete. "Sie sind von

keinem Troll gemacht, auch nicht von einem Menschenschmied

dieser Gegend und unserer Tage. Aber wenn wir die Runen

darauf lesen können, werden wir mehr darüber wissen. "

"Verschwinden wir möglichst schnell aus diesem gräßlichen

Gestank!" sagte Fili. So trugen sie also die Töpfe mit den

Goldmünzen hinaus und die Lebensmittel, die noch unberührt

haben mir erzählt, daß drei Trolle aus dem Gebirge gekommen

wären und sich dicht beim Wege in den Wäldern niedergelassen

hätten. Die Trolle hätten jedermann aus der Gegend vertrieben

und würden Fremden auflauern. Da hatte ich plötzlich das

Gefühl, daß ich zurückkehren müßte. Als ich zurückblickte, sah

ich in der Ferne ein Feuer und ging darauf zu. So, jetzt wißt Ihr

es. Bitte, seid vorsichtiger beim nächsten Mal, oder wir kommen

niemals an unser Ziel. "

"Vielen Dank für die Belehrung", sagte Thorin.

Eine kurze Rast

Sie sangen nicht und erzählten auch keine Geschichten an

diesem Tag, obgleich das Wetter sich besserte. Sie taten es auch

am nächsten Tag nicht und auch nicht am Tag danach, denn sie

ahnten, daß ringsum Gefahren drohten. Sie übernachteten unter

den Sternen, und für ihre Pferde war der Tisch besser gedeckt

als für sie selbst. Gras gab es genug, aber es gab nicht viel in

ihren Vorratssäcken, selbst nicht mit dem, was sie bei den

Trollen herausgeholt hatten. An einem Morgen durchquerten sie

den Fluß an einer breiten, seichten Stelle, in der das Wasser

zwischen den Steinen brauste und rauschte. Das andere Ufer war

steil und glitschig. Sie führten ihre Ponys hinauf, und von der

Uferhöhe aus sahen sie, daß das Gebirge dicht an sie

herangekommen war. Fast schien es, als brächte sie eines

einzigen Tages leichte Reise zum Fuß des ersten Berges. Dunkel

und düster sah er aus, obgleich Sonnenstreifen auf seinen

braunen Hängen lagen und hinter seinem Gipfel die Spitzen der

Schneehäupter glänzten.

Nie hatte er etwas so Gewaltiges gesehen.

"Keineswegs!" antwortete Balin. "Dies ist nur der Anfang der

Nebelberge. Und wir müssen hindurch oder hinüber oder drunter

durch, ganz gleich, wie, ehe wir in das Einödland jenseits

kommen. Und es ist noch ein schöner Weg auf der anderen Seite

zum Einsamen Berg im Osten, wo Smaug auf unserem Schatz

liegt."

"Oh!" sagte Bilbo. Und in diesem Augenblick fühlte er sich

müder, als er jemals in seinem Leben gewesen war. Er dachte

abermals an seinen bequemen Stuhl vor dem Kaminfeuer, an

sein geliebtes Wohnzimmer in der Hobbithöhle und an der

singenden Teekessel. Und dies nicht zum letzten Male!

Nun führte Gandalf. "Wir dürfen den Pfad nicht verlieren,

oder es ist um uns geschehen", sagte er.

"Außerdem brauchen wir Lebensmittel und Ruhe und sichere

Rast. Auch müssen wir die Nebelberge auf dem richtigen Pfad

überqueren, sonst geht ihr ganz in die Irre, müßt zurückkehren

und von vorn anfangen (wenn ihr überhaupt jemals

zurückkehrt)."

Sie fragten ihn, was er vorhabe, und er antwortete : "Ihr seid

nun an die Grenze zur Wildnis gelangt, wie einige von euch

vielleicht wissen. Irgendwo verborgen vor uns liegt das schöne

Tal von Rivendell, wo Elrond in seinem Anwesen lebt. Ich

schickte Botschaft durch meine Freunde, und wir werden

erwartet."

Das klang hübsch und angenehm, aber sie waren noch nicht

dort, und wie es aussah, war es gar nicht so einfach, dieses

Anwesen westlich des Gebirges zu finden. Scheinbar gab es

keine Bäume, keine Täler und keine Hügel, die die Landschaft

vor ihnen belebten, nur ein riesig breiter, flacher Hang, der

langsam vor ihnen bis zum Fuß des nächsten Berges anstieg, ein

weites, heidefarbenes Land mit verwitterten Felsen, grasigen

und moosgrünen Flecken und Streifen, die wahrscheinlich

Wasser anzeigten.

Die Nachmittagssonne stand niedrig, aber in all der großen

Einsamkeit gab es kein Zeichen, daß hier jemand hauste. Sie

wurden allmählich ängstlich, denn sie erkannten, daß das Haus

irgendwo zwischen ihnen und den Bergen gänzlich verborgen

liegen mußte. Unerwartet stießen sie auf enge Täler mit steil

abfallenden Seiten, die sich plötzlich zu ihren Füßen öffneten,

und sie sahen überrascht auf Bäume hinab und fließendes

Wasser im Grund. Da gab es Einschnitte, über die sie fast

hinwegspringen konnten, aber sie waren sehr tief, und unten

rauschten Wasserfälle. Da gab es düstere Schluchten, die man

nicht überspringen, ja, in die man nicht einmal hinabklettern

konnte. Da gab es Moore - einige schauten wie freundliche

Ebenen mit hohen, leuchtenden Blumen aus. Aber wenn ein

Pony mit seiner Last hineingeraten wäre, würde es nie wieder

herausgekommen sein.

Der Landstrich zwischen der Furt und den Bergen war also in

der Tat viel breiter, als einer vermutet hätte. Bilbo wunderte sich

sehr. Der einzige Pfad war mit weißen Steinen gekennzeichnet.

Einige waren klein, andere halb bedeckt mit Moos oder

Heidekraut. Immerhin war es sehr langweilig, der Spur zu

folgen, selbst wenn Gandalf führte, der seinen Weg

einigermaßen kannte.

Sie glaubten, kaum ein Stück vorangekommen zu sein, als die

Dämmerung anbrach. Sie folgten dem Zauberer, dessen Haupt

und Bart sich unruhig bald da -, bald dorthin drehte, denn er

suchte den Pfad. Teezeit war lange vorüber, und es schien, als

ob auch die Abendessenszeit vorüberginge.

Nachtfalter flatterten umher. Das Licht wurde sehr schwach,

denn der Mond war noch nicht aufgegangen. Bilbos Pony

stolperte über Wurzeln und Steine. Da gelangten sie so plötzlich

an den Rand eines steilen Abfalles, daß Gandalfs Pferd beinahe

den Hang hinunterrutschte. "Hier ist es endlich!" rief er. Tief

unter ihnen sahen sie ein Tal. Sie hörten das Rauschen rasch

fließenden Wassers auf felsigem Grund, sie spürten den Duft

von Bäumen, und von der anderen Seite blinkte ein Licht

herüber.

Niemals vergaß Bilbo den Weg, den sie in der Dämmerung

hinabrutschten und - schlitterten, den steilen Zickzackpfad in

das verborgene Tal von Rivendell. Je tiefer sie hinabkamen,

desto wärmer wurde die Luft, und der Duft der Kiefern machte

Bilbo so schläfrig, daß er gelegentlich einnickte und beinahe

vom Pony fiel oder mit der Nase plötzlich auf der Mähne lag.

Ihre Lebensgeister erwachten jedoch, als sie tiefer hinabstiegen.

Den Kiefern folgten Buchen und Eichen, und sie fühlten sich

hier unten im Zwielicht sicher und geborgen. Schon war das

letzte Grün in den Wiesen verblaßt, als sie eine offene Lichtung

am Ufer des Flusses erreichten.

Hm! Es riecht nach Elben! dachte Bilbo und blickte auf zu

den Sternen. Sie leuchteten hell und bläulich.

In diesem Augenblick setzte in den Bäumen ein Singen ein,

das wie ein Lachen klang : "Ich weiß ein paar Reiter, die ritten

gern weiter.

Doch laßt heut die Fährte und beschlagt erst die Pferde.

Wohin geht's, ihr Reiter?

Wir sagen's nicht weiter.

Ein Hobbit auf Reisen wird ein Nachtlager preisen.

Auf Balin folgt Dwalin der Weg ist so lang hin.

Singt mit uns, seid heiter und reitet nicht weiter!

Im Haus raucht das Reisig, da backen Sie fleißig.

Doch die wehenden Bärte kitzeln die Pferde.

Seid endlich gescheiter und reitet nicht weiter!"

So lachten und sangen sie in den Bäumen. Es war ein ganz

schöner Unsinn, das kann man wohl behaupten, nicht wahr?

Aber sie würden nur noch mehr gelacht haben, wenn man es

ihnen gesagt hätte. Es waren eben Elben. Bald konnte Bilbo sie.

auch erspähen, während die Dämmerung immer tiefer herabfiel.

Er mochte Elben gut leiden, obgleich er selten welche traf.

Aber er fürchtete sich auch ein bißchen vor ihnen. Zwerge

dagegen verstehen sich nicht recht mit ihnen. Selbst

umgängliche Zwerge wie Thorin und seine Freunde halten

Elben für ein bißchen verrückt (was, genau bedacht, ebenfalls

ein bißchen verrückt ist), oder sie ärgern sich sogar über sie,

denn es gibt Elben genug, die sie foppen und sogar auslachen,

meistens wegen ihrer Bärte.

"Prächtig", sagte eine Stimme, "schaut nur her: Bilbo, der

Hobbit, auf einem Pony! Das ist köstlich! "

"Höchst erstaunlich und wunderbar!"

Dann begannen sie mit einem neuen Lied, das genauso

lächerlich war wie das erste, das ich aufgeschrieben habe.

Schließlich kam ein großer, junger Bursche aus den Bäumen

herab und verbeugte sich etwas spöttisch vor Gandalf und

Thorin.

"Willkommen in unserem Tal!" sagte er.

"Schönen Dank!" antwortete Thorin ein bißchen schroff. Aber

Gandalf sprang schon von seinem Pferd, stand zwischen den

Elben und sprach lustig mit ihnen.

"Ihr seid ein bißchen vom Weg abgekommen", sagte der Elb.

"Das heißt, wenn ihr den einzigen Pfad gehen wollt, der über

den Fluß und zum Haus hin führt. Wir wollen euch den richtigen

Weg weisen - aber am besten, ihr geht zu Fuß, bis ihr über die

Brücke gekommen seid. Wollt ihr nicht ein bißchen bleiben und

mit uns singen, oder wollt ihr wirklich gleich weiterziehen?

Drüben wird das Abendessen vorbereitet", sagte er. "Ich kann

die Holzfeuer bis hierher riechen. "

Müde wie er war, wäre Bilbo gern eine Weile geblieben.

Elbengesang, noch dazu im Juni unterm klaren Sternenhimmel,

sollte niemand versäumen, der Musik liebt. Auch hätte Bilbo.

gern ein paar Worte mit diesen Leuten gesprochen, die

anscheinend seinen Namen und vieles von ihm wußten, obgleich

er sie niemals vorher gesehen hatte. Er dachte, ihre Meinung

über sein Abenteuer könnte interessant sein. Elben wissen sehr

viel und erfahren alle Neuigkeiten. Sie hören schnell, was bei

den Leuten im Land vorgeht - so schnell wie Wasser im

Gebirgsfluß dahinschießt, vielleicht sogar noch ein bißchen

schneller.

Aber die Zwerge hielten mehr vom Abendessen. Sie wollten

keinesfalls bleiben, zogen also weiter und führten ihre Ponys,

bis sie auf einen ordentlichen Pfad gebracht worden waren und

endlich an das Ufer des Flusses gelangten. Er floß schnell und

laut rauschend dahin, wie Gebirgsflüsse an einem

Sommerabend, wenn die Sonne weit oben den ganzen Tag auf

dem Schnee gestanden hat. Es gab nur eine ganz schmale

Steinbrücke ohne Geländer, so schmal, daß gerade ein Pony

hinübertrotten konnte. Langsam und vorsichtig betraten sie den

Steg, einer nach dem anderen, und jeder führte sein Pony am

Halfter. Die Elben hatten schimmernde Laternen ans Ufer

gebracht und sangen ein lustiges Lied, als die Gesellschaft

hinüberzog.

"Laßt Euren Bart nicht ins Wasser hängen, Vater!" rie fen sie

Thorin zu, der fast auf allen vieren ging.

"Er ist lang genug und braucht nicht begossen zu werden. "

"Paßt auf, daß Bilbo nicht alle Kuchen aufißt." riefen sie.

"Er ist jetzt schon zu fett, um durch Schlüssellöcher zu

kriechen! "

"Still, still jetzt Freunde und gute Nacht", sagte Gandalf, der

als letzter ging. "Täler haben Ohren, und einige von euch Elben

haben eine viel zu lustige Zunge. Gute Nacht!"

Und so kamen sie schließlich zum Haus an der Einödgrenze

und fanden seine Türen weit offen.

Nun, es ist merkwürdig, aber von einem Ereignis, das gut.

abläuft, und von Tagen, die man angenehm verbringt, ist rasch

berichtet, und da gibt's auch nicht viel drüber zu hören. Indessen

läßt sich über unbequeme und aufregende, ja sogar schreckliche

Ereignisse eine gute Geschichte erzählen, jedenfalls ist eine

Menge drüber zu sagen. Die Zwerge blieben eine lange Zeit,

vierzehn Tage, in dem guten Haus, und es fiel ihnen schwer, es

zu verlassen. Bilbo wäre am liebsten für alle Zeiten

hiergeblieben, selbst dann, wenn ein Wunsch ihn ohne

Zwischenfälle hätte unmittelbar zurück in seine Hobbithöhle

bringen können. Aber - es gibt doch noch etwas über den

Aufenthalt zu berichten.

Der Herr des Hauses war ein Elbenfreund - einer von jenen

Leuten, deren Vorväter schon in den merkwürdigen

Erzählungen vor dem eigentlichen Beginn der Weltgeschichte

vorkamen, vor den Kriegen der Elben mit den Orks und vor den

ersten Menschen im Norden. In den Tagen unserer Erzählung

gab es noch immer Leute, die sowohl Elben als auch Helden aus

den Ländern des Nordens als Ahnen hatten. Und Elrond, der

Herr des Hauses, war ihr Oberhaupt.

Er besaß ein so edles und schönes Gesicht wie ein Elbenfürst,

war so stark wie ein Krieger, so weise wie ein Zauberer, so

ehrwürdig wie ein Zwergenkönig und so freundlich wie der

Sommer. Er kommt in vielen Geschichten vor, aber sein Anteil

an der Erzählung von Bilbos ,großem Abenteuer ist nur gering,

obgleich wichtig, wie ihr sehen werdet, wenn wir jemals bis zu

Ende kommen. Sein Haus war schlechthin vollkommen ob ihr

an das Essen denkt oder an den Schlaf, an die Arbeit oder an das

Geschichtenerzählen, an das Singen oder auch nur an das

einfache Dasitzen und Nachdenken, oder ob ihr an eine

angenehme Mischung von allem dem denkt. Unfriede kann nicht

in dieses Tal.

Ich wünschte, ich hätte Zeit, um euch nur einige von diesen

Geschichten oder das eine oder andere von den Liedern zu

erzählen, die die Zwerge in diesem Haus hörten. Alle, und nicht.

zuletzt die Ponys, wurden in den wenigen Tagen dort wieder

frisch und unternehmungslustig. Die Kleider wurden geflickt,

die Verwundungen heilten, Stimmung und Hoffnung waren

zuversichtlicher denn je. Die Taschen wurden mit Lebensmitteln

und Vorräten gefüllt, die leicht zu tragen, aber kräftig und

stärkend waren, damit die Reisenden gut die Gebirgspässe

überqueren konnten. Ihre Pläne wurden aufs beste beraten. So

kam der Vorabend zur Sonnenwende heran, und mit dem frühen

Licht des Mittsommermorgens wollten sie weiterziehen.

Elrond, der sich auf alle Arten von Runen verstand,

betrachtete an diesem Tag die Schwerter, die sie aus der

Trollhöhle mitgebracht hatten, und sagte : "Sie sind nicht von

den Trollen gemacht. Es sind alte Elbenschwerter, die in

Gondolin für die Orkkriege geschmiedet wurden. Sie müssen

aus einem Drachenschatz oder aus dem Raub von Orks

stammen, denn Drachen und Orks zerstörten diese Stadt vor

vielen, vielen Jahren. Auf diesem, Thorin, ist aus den Runen der

Name Orkrist zu lesen, der Orkspalter in der alten Sprache von

Gondolin. Es war eine berühmte Klinge. Dies hier, Gandalf, ist

Glamdring, der Feindhammer, den der König von Gondolin vor

Zeiten trug. Haltet sie gut!"

"Woher, meint Ihr, haben die Trolle sie?" fragte Thorin und

blickte mit neuer Anteilnahme auf sein Schwert.

"Ich kann es nicht sagen", entgegnete Elrond, "aber man

könnte vermuten, daß die Trolle andere Plünderer geplündert

haben oder auf die Reste alten Raubes in irgendeiner

Gebirgshöhle gestoßen sind. Ich hörte, daß man seit dem Krieg

der Zwerge mit den Orks noch immer vergessene Schätze in den

verlassenen Gewölben der Bergwerke von Moria finden kann. "

Thorin dachte über die Worte nach. "Ich will dies Schwert in

Ehren halten", sagte er. "Möge es bald aufs neue Orks

zerspalten! "

"Ein Wunsch, der in den Bergen leicht genug erfüllt werden.

kann!" erwiderte Elrond. "Aber nun zeigt mir die Karte!"

Er nahm sie und schaute sie lange an. Dann schüttelte er den

Kopf. Denn obgleich er Zwerge und ihre Liebe zum Gold nicht

allzusehr schätzte, haßte er doch die Drachen mit ihrer

grausamen Verschlagenheit, und es schmerzte ihn, wenn er an

die Ruinen der Stadt Dal und ihre fröhlichen Glocken dachte

und an die verbrannten Ufer des klaren Eiligen Wassers. Die

Silbersichel des Mondes leuchtete hell. Er hielt die Karte hoch,

und das weiße Licht schien hindurch. "Was ist das?" sagte er.

"Es sind Mondbuchstaben darauf, dicht neben den

gewöhnlichen Runen, die da sagen ,fünf Fuß hoch die Tür, und

drei können nebeneinander gehen`."

"Was ist das: Mondbuchstaben?" fragte der Hobbit aufgeregt.

Er mochte Karten gern, wie ich euch schon gesagt habe. Und er

hatte auch Runen gern und Briefe und verzwickte

Handschriften, obgleich er selbst ein wenig dünn und

spinnenhaft schrieb.

"Mondbuchstaben sind Runen", sagte Elrond. "Aber Ihr könnt

sie nicht sehen, wenn Ihr einfach draufschaut. Sie können nur

gelesen werden, wenn der Mond hinter ihnen steht. Bei den

verzwickten jedoch muß der Mond von der gleichen Form und

es muß die gleiche Zeit sein wie an dem Tag, an dem sie

geschrieben wurden. Die Zwerge erfanden die Mondbuchstaben

und schrieben sie mit silbernen Federn, wie Eure Freunde es

Euch erzählen könnten. Diese hier müssen vor langer Zeit an

einem Mittsommervorabend bei zunehmendem Mond

geschrieben worden sein. "

"Und was sagen sie?" fragten Gandalf und Thorin zugleich,

ein bißchen verärgert, weil ausgerechnet Elrond sie zuerst

gefunden hatte, obgleich es in Wirklichkeit vorher gar nicht

möglich war und obgleich es wer weiß wann erst wieder eine

neue Gelegenheit dazu geben würde.

"Steht bei dem grauen Stein, wenn die Drossel schlägt", las.

Elrond, "und der letzte Sonnenstrahl am Durinstag auf das

Schlüsselloch fällt."

"Durin, Durin", sagte Thorin. "Er war der Vater der Väter des

ältesten Zwergenstammes, der Langbärte, und mein Vorfahr. Ich

bin sein Erbe."

"Aber was ist der Durinstag?" fragte Elrond.

"Der erste Tag vom neuen Zwergenjahr", erklärte Thorin, "ist,

wie jedermann weiß, der erste Tag des letzten Herbstmondes am

Beginn des Winters. Noch immer nennen wir ihn den Durinstag,

wenn der letzte Herbstvollmond und die Sonne zugleich am

Himmel stehen. Aber dies wird uns nicht viel helfen, fürchte ich,

denn es überschreitet heutzutage unsere Fähigkeit,

herauszufinden, wann eine solche Gelegenheit wiederkommen

wird."

"Das bleibt abzuwarten", sagte Gandalf "Steht da noch mehr

geschrieben?"

"Nichts, was bei diesem Mond zu sehen wäre", sagte Elrond,

und er gab die Karte an Thorin zurück.

Dann gingen sie zum Fluß hinunter, denn sie wollten die

Elben am Mittsommervorabend tanzen und singen hören.

Der nächste Morgen war ein Mittsommermorgen, so klar und

frisch, wie man sich ihn nur wünschen konnte : blauer Himmel

und keine einzige Wolke, und die Sonne tanzte auf dem Wasser.

Unter vielen guten Wünschen und manchem "Auf

Wiedersehen!" ritten sie davon. Ihre Herzen waren bereit für

neue Abenteuer, und sie kannten den Weg, dem sie über die

Nebelberge in das dahinterliegende Land folgen mußten.

Über den Berg und unter den Berg

Es gab viele Wege, die hinauf in das Gebirge führten, und

viele Pässe überquerten es. Aber die meisten Pfade führten in

die Irre oder an unwegsame Stellen, und die meisten Pässe

waren voll böser und schrecklicher Gefahren. Die Zwerge und

der Hobbit, denen Gandalfs Kenntnisse und Elronds weiser Rat

halfen, schlugen den richtigen Weg zum richtigen Paß ein. Viele

lange Tage, nachdem sie aus dem Tal herausgestiegen waren

und das Haus an der Einödgrenze Meilen hinter sich gelassen

hatten, führte der Weg noch immer aufwärts und nahm kein

Ende. Es war ein beschwerlicher und ein gefährlicher Weg, ein

krummer, verschlungener Pfad, einsam und lang dazu. Jetzt

konnten sie zurück über jene Länder schauen, die sie hinter sich

gelassen hatten. Weit ausgebreitet lagen sie unter ihnen. Weit in

der Ferne, da, wo alles in blassem Blau verschwamm, dort, so

wußte Bilbo, lag seine Heimat, ein Land voll Sicherheit und

Bequemlichkeit, und dort befand sich seine kleine Hobbithöhle.

Ihn fror. Es war kalt geworden hier oben, und der Wind pfiff

schrill um die Felsen. Auch rollten zuweilen mächtige Blöcke,

die sich in der Mittagssonne aus dem Schnee gelöst hatten, die

Berghänge herab. Sie sausten zwischen der Gesellschaft durch

(was ein Glück war) oder über ihre Köpfe hinweg (was sehr

aufregend war). Die Nächte waren klamm und eisig. Die

Gesellschaft wagte nicht, zu singen oder laut zu sprechen, denn

das Echo warf jedes Geräusch doppelt stark zurück. Sie hatten

den Eindruck, daß die Stille nur vom Tosen des Wassers, dem

Klagen des Windes und dem Krachen der Steine unterbrochen

werden durfte.

Dort unten geht der Sommer weiter, dachte Bilbo, und die

Heuernte und auch die Picknicks im Freien gehen weiter. Sie

werden ernten und sogar in die Blaubeeren gehen, ehe wir den.

Abstieg auf der anderen Seite beginnen können.

Und auch die anderen hatten ähnliche trübe Gedanken,

obgleich sie aufgeräumt von der überquerung des Gebirges und

von einem raschen Ritt durch die Länder auf der anderen Seite

gesprochen hatten.

Aber das war an einem hofFnungsvollen Mittsommermorgen

gewesen, als sie von Elrond Abschied nahmen. In ihren

Gedanken waren sie schon an der Geheimtür am Einsamen Berg

angekommen.

"Vielleicht langen wir schon beim nächsten Herbstmond an",

hatten sie gesagt, "und wer weiß, am Ende ist es dann gerade der

Durinstag. Nur Gandalf hatte den Kopf geschüttelt und nichts

darauf erwidert, denn die Zwerge waren seit vielen Jahren

diesen Weg nicht mehr gegangen. Gandalf aber kannte ihn, und

er wußte, wie die schlimmen überraschungen und Gefahren im

Einödland bedrohlich gewachsen waren, seitdem die Drachen

die Menschen dort vertrieben und die Orks nach der Schlacht

um die Bergwerke von Moria sich im geheimen ausgebreitet

hatten. Selbst die guten Pläne weiser Zauberer wie Gandalf und

rechter Freunde wie Elrond werden zuweilen zunichte gemacht,

wenn man jenseits der Grenze des Einödlandes auf gefährliche

Abenteuer auszieht. Gandalf war ein Zauberer, der klug genug

war, das zu wissen.

Er wußte, daß etwas Unerwartetes geschehen konnte, und er

wagte kaum zu hoffen, daß sie ohne Schrecken und Abenteuer

über dieses riesengroße Gebirge gelangen würden, ein

Niemandsland mit einsamen Gipfeln und Tälern, in denen keine

Könige regierten. Und in der Tat, es gelang ihnen nicht.

Alles war gut, bis sie eines Tages in ein Gewitter gerieten - in

mehr als ein Gewitter: in eine Schlacht von Gewittern. Ihr wißt,

wie entsetzlich ein großes Gewitter im flachen Land oder in

einem Flußtal sein kann, besonders, wenn zwei Gewitter mit

mächtigem Getöse aufeinanderkrachen. Noch schlimmer aber.

sind Donner und Blitz nachts in den Bergen, wenn Stürme von

Ost und West herantosen und die Schlacht in den Lüften

beginnt. Die Blitze zersplittern auf den Gipfeln, und die Felsen

erzittern, ein riesiges Getöse zerreißt die Luft und dringt

grollend und dröhnend in jede Höhle und in jedes Loch.

Die Finsternis ist erfüllt von überwältigendem Lärm und

plötzlichen Lichtflammen.

Niemals hatte Bilbo so etwas gesehen, niemals hatte er sich so

etwas vorgestellt. Sie waren hoch an einer engen Stelle mit

einem schrecklichen seitlichen Abfall tief hinab in ein düsteres

Tal. Dort hatten sie unter einem überhängenden Felsen für die

Nacht Schutz gesucht. Bilbo lag unter seiner Decke und zitterte

von Kopf bis Fuß. Wenn er während eines Blitzes drunter

hervorlugte, sah er jenseits des Tales die Steinriesen, die

herausgekommen waren und sich zum Spaß Felsblöcke

zuschleuderten. Die Riesen fingen die Felsen auf und warfen sie

in die Finsternis, wo sie tief unten Bäume zerschmetterten oder

krachend in tausend Stücke zersprangen. Dann rauschten die

Winde, dann peitschten Regen und Hagel in jedwede Richtung,

so daß der überhängende Fels keineswegs ein Schutz genannt

werden konnte. Bald waren sie gänzlich durchnäßt. Ihre Ponys

standen mit hängenden Köpfen, die Schwänze zwischen die

Beine geklemmt, und einige wieherten aus Furcht. Sie konnten

gut hören, wie die Riesen drüben im Gebirge in schallendes

Gelächter und Gebrüll ausbrachen.

"Wir sind hier nicht gut untergebracht", sagte Thorin. "Wenn

wir nicht weggeblasen oder ersäuft oder vom Blitz erschlagen

werden, so greift uns gewiß einer von diesen Riesen auf und tritt

uns wie einen Fußball in den Himmel."

"Richtig, aber wenn Ihr einen besseren Platz wißt, so führt uns

doch hin", sagte Gandalf, der mürrisch war und auch seinerseits

keineswegs erbaut über die Riesen dort drüben.

Das Ende der Streiterei war, daß sie Kili und Fili.-84-

ausschickten, einen besseren Schutz zu suchen. Die beiden

hatten sehr scharfe Augen, und da sie, um etwa fünfzig Jahre

jünger als die anderen, die jüngsten unter den Zwergen waren,

wurden sie für gewöhnlich mit solchen Aufgaben betraut

(nachdem jeder eingesehen hatte, daß es auch nicht den

geringsten Zweck hatte, Bilbo loszuschicken). "Es geht nichts

über das Suchen, wenn man etwas finden will", so oder ähnlich

äußerte sich Thorin den jungen Zwergen gegenüber. "Zwar

findet man bestimmt etwas, aber gewöhnlich ist es durchaus

nicht das, was man gesucht hat." Und das war auch hier der Fall.

Bald kamen Kili und Fili zurückgekrochen. Sie klammerten

sich vor dem Sturm am Felsen fest. "Wir haben eine trockene

Höhle gefunden", sagten sie, "nicht weit hinter der nächsten

Felsnase. Auch die Ponys passen hinein. "

"Habt ihr die Höhle durch und durch erforscht?" fragte der

Zauberer. Er wußte, daß Gebirgshöhlen selten unbewohnt

waren.

"Ja, ja!" antworteten sie, obgleich jeder wußte, daß ihnen dazu

gar keine Zeit geblieben sein konnte.

"Die Höhle ist nicht allzugroß und geht auch nicht allzutief in

den Berg."

Das ist natürlich die gefährliche Seite an Höhlen. Man weiß

nicht, wie weit sie reichen, wo ihre Gänge hinführen und was

darinnen auf einen wartet. Aber jetzt schien Kilis und Filis

Bericht zu genügen. Sie standen auf und bereiteten ihren Umzug

vor. Der Sturm heulte noch immer, der Donner grollte, und sie

hatten Mühe, sich und die Ponys überhaupt voranzubringen.

Indessen war es wirklich nicht weit zu gehen, und bald kamen

sie an einen mächtigen Fels, der in den Pfad hereinragte. Als sie

ihn umgangen hatten, fanden sie einen niedrigen Torbogen in

der Bergseite. Es blieb gerade Platz genug, daß die Ponys,

nachdem man sie abgepackt und abgesattelt hatte, sich

durchquetschen konnten.

Als sie den Eingangsbogen passiert hatten, war es drinnen

angenehm, sie hörten draußen Wind und Regen toben, anstatt

beides auf der eigenen Haut zu spüren. Sie fühlten sich sicher

vor den Riesen und den Felsblöcken. Aber der Zauberer wollte

nichts aufs Spiel setzen. Er zündete seinen Zauberstab an, wie er

es damals in Bilbos Speisezimmer getan hatte (wenn ihr euch

erinnert - wie lange war das nun schon her!), und untersuchte

die ganze Höhle von einem Ende zum andern.

Sie schien brauchbar zu sein, nicht zu groß und nicht zu

unheimlich. Sie hatte einen trockenen Boden und einige

gemütliche Nischen, an einem Ende war Raum für die Ponys,

und dort standen sie, sehr erfreut über den Wechsel, dampften

und schnauften in ihre Futterbeutel.

Oin und Gloin wollten am Eingang ein Feuer anzünden, um

die Kleider zu trocknen, aber davon wollte Gandalf nichts

wissen. So breiteten sie ihre nassen Sachen auf dem Boden aus

und holten trockene aus den Bündeln hervor. Dann legten sie

ihre Decken aus, machten es sich bequem, holten ihre Pfeifen

hervor und bliesen Rauc hringe in die Luft. Gandalf verwandelte

sie in verschiedenfarbige, die er unter der Gewölbedecke tanzen

ließ, um die Gesellschaft zu erheitern. Sie erzählten und

erzählten, vergaßen den Sturm und stritten darüber, was jeder

mit seinem Anteil am Schatz unternehmen würde (wenn sie ihn

erst hätten, und das schien in diesem Augenblick gar nicht so

unmöglich). Dann fiel einer nach dem anderen in Schlaf. Und

dies war das letzte Mal, daß sie ihre Ponys besaßen, das Gepäck,

die Vorräte, die Werkzeuge und all den anderen Kram, den sie

mitgenommen hatten.

In dieser Nacht zeigte es sich, wie gut es war, daß sie den

kleinen Bilbo dabei hatten, denn aus irgendeinem Grund konnte

er erst nach langer Zeit einschlafen. Und als er endlich

einschlief, hatte er scheußliche Träume. Er träumte, daß ein

Spalt in der hinteren Felsmauer der Höhle immer größer und

größer wurde und daß er immer weiter und weiter sich öffnete..Und die Angst packte ihn. Aber er konnte weder rufen noch

etwas anderes tun. Er lag nur und sah., Dann träumte er, daß der

Boden der Höhle zu sinken und zu rutschen anfing - tief zu

fallen, immer tiefer, Gott weiß wohin.

Darüber wachte er mit einem entsetzlichen Ruck auf und fand

einen Teil seines Traumes wahr. Ein Spalt hatte sich an der

Höhlenrückwand geöffnet und bildete mittlerweile einen breiten

Durchgang.

Bilbo konnte gerade noch den letzten Ponyschwanz darin

verschwinden sehen. Natürlich stieß er einen schrecklich lauten

Schrei aus, so laut ein Hobbit eben schreien kann, und das ist,

mit seiner Größe verglichen, immerhin ganz erstaunlich.

Heraus sprangen Orks, gewaltige koboldartige Wesen, große,

übel aussehende Orks, Massen von Orks, noch ehe einer einen

Mucks sagen konnte. Sechs kamen auf jeden Zwerg und zwei

sogar auf Bilbo, und alle wurden gegriffen und durch den Spalt

weggeschleppt, ehe sie "Mucks" oder "Hoppla" sagen konnten.

Nur Gandalf nicht. Soviel hatte Bilbos Schrei wenigstens

erreicht. Gandalf war im Bruchteil einer Sekunde hellwach

geworden, und als die Orks ihn greifen wollten, erhellte ein

entsetzlicher Strahl die Höhle wie ein Blitz. Pulvergestank

verbreitete sich, und mehrere Orks blieben tot auf der Strecke.

Schnappend schloß sich der Spalt. Bilbo und die Zwerge

waren auf der falschen Seite. Wo aber blieb Gandalf? Das

wußten weder sie noch die Orks, und die warteten nicht darauf,

bis sie es herausgefunden hatten. Sie schnappten Bilbo und die

Zwerge und hasteten weiter. Das geschah in völliger Dunkelheit,

in einer Finsternis, durch die nur Orks, die im Herzen der

Gebirge hausen, hindurchsehen können. Kreuzungen und

Gabelungen liefen nach allen Richtungen, aber die Orks kannten

ihren Weg ebenso gut, wie ihr euren Weg zum nächsten Postamt

kennt. Immer tiefer führte der Weg hinab, und es war scheußlich

stumpf und stickig. Wüste Burschen waren diese Orks, und sie

kniffen Bilbo und die Zwerge unbarmherzig. Sie grunzten und

lachten mit ihren schrecklichen, versteinerten Stimmen, und der

Hobbit war noch viel unglücklicher als damals, als der Troll ihn

bei den Zehen hochgehoben hatte. Er wünschte sich immerzu

fort in seine hübsche, saubere Hobbithöhle, und das nicht zum

letzten Male.

Jetzt schimmerte ein rotes Licht auf Die Orks begannen zu

singen (besser : zu krächzen) und klopften mit ihren Füßen den

Takt, wobei sie ihre Gefangenen kräftig schüttelten.

"Klapp! Schnapp! Ins Finstre hinab!

Gripp! Grapp! Schneid ihm die Ohren ab!

Ab in den Orkturm schrei nur, du Wurm!

Klatsch! Ratsch! Peitscht sie, und patsch!

Knüppel und Leder - wimmerst du? Watsch!

Eisen und Zangen im Orkturm quietscht noch ein Wurm?

Zisch! Zasch! Schneller und rasch!

Gejammer, Gewinsel - weh, wird einer lasch!

Drunten grabt ihr die Nägel wund murrt noch ein Hund?"

Das klang entsetzlich. Die Wände warfen das Echo von

"Klapp!", "Schnapp!", Klatsch!", "Patsch!" und das scheußliche

Gelächter ihres "Schrei nur, du Wurm!" vielfältig zurück. Die

Bedeutung dieses "Gesanges" war allzu klar. Denn jetzt holten

die Orks ihre Peitschen heraus und knallten sie mit Sausen und

Pfeifen auf die Rücken der Unglücklichen. Das brachte sie zum

Laufen, so schnell sie nur konnten. Und mehr als einer von den

Zwergen blökte und jammerte steinerweichend, als sie endlich

in ein weites Gewölbe hineinstolperten.

Das Gewölbe war in der Mitte durch ein großes rotes Feuer

erleuchtet und rings an der Wand durch Fackeln. Es wimmelte

von Orks. Sie lachten und stampften und klatschten in die

Hände, als die Zwerge hereingerannt kamen (als letzter der arme

kleine Bilbo, der dadurch den Peitschenschlägen am nächsten

war), während die Treiber hinter ihnen her brüllten und mit den

Peitschen knallten. Die Ponys hatte man vorher in einer Ecke

zusammengetrieben, und da lagen auch alle Gepäckstücke

aufgebrochen herum, von Orks durchstöbert, von Orks

angerochen, von Orks befingert, und die Orks hatten sich schon

kräftig um sie gestritten.

Es war wirklich das letzte Mal, daß sie diese ausgezeichneten

kleinen Ponys sahen und den kräftigen weißen Kerl, den E1rond

dem Zauberer geliehen hatte, da sein Pferd für die Gebirgspfade

nicht tauglich war. Orks fressen nämlich Pferde und Ponys und

Esel (und noch anderes, viel Schlimmeres), trotzdem sind sie

allzeit hungrig. Jetzt aber konnten die Gefangenen nur an sich

selbst denken. Die Orks ketteten ihnen die Hände auf den

Rücken, schlossen sie zusammen zu einer langen Reihe und

stießen sie in die letzte Ecke des Gewölbes (der kleine Bilbo

schleppte sich am Ende der erbärmlichen Reihe hin).

Dort im Schatten saß auf einem flachen Stein ein riesenhafter

Ork mit einem gewaltigen Kopf.

Bewaffnete Kerle standen rund um ihn und trugen _xte und

gebogene Schwerter, wie man sie bei diesen Wesen zu tragen

pflegt. Nun sind Orks grausam, verschlagen und schlecht. Sie

stellen keine schönen Gegenstände her, aber sie sind keineswegs

ungeschickt. Sie können Stollen graben, können minieren wie

die geschicktesten Zwerge - wenn sie sich Mühe geben, aber für

gewöhnlich sind sie unordentlich und schmutzig. Hämmer und

Äxte, Schwerter, Dolche und Picken, Zangen und

Marterwerkzeuge, das machen sie gut - oder zwingen andere

dazu, sie nach ihren Plänen herzustellen, Gefangene und

Sklaven, die arbeiten müssen, bis sie aus Mangel an Luft und

Licht sterben. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie einige von

jenen Maschinen erfunden haben, die seither die Welt

verheeren, besonders jene ausgeklügelten Vorrichtungen, die

Massen von Lebewesen auf einen Schlag vernichten, denn

Räder, Maschinen und Explosionen erfreuten sie schon immer.

Mit eigenen Händen arbeiteten sie nur, wenn es nicht anders

ging. Aber in jenen wüsten Gegenden waren sie damals noch

nicht so weit fortgeschritten (wie man das wohl nennt). Zwerge

haßten sie nicht aus besonderen Gründen, nicht mehr, als sie alle

und jeden haßten, und besonders die Ordentlichen und

Tüchtigen. Da und dort waren verschlagene Zwerge Bündnisse

mit ihnen eingegangen. Gegen Thorins Volk jedoch hegten sie

wegen des Krieges, von dem ihr schon gehört habt, einen

besonderen Groll.

Sonst ist es den Orks gleich, wen sie fangen - solange es

gerissen geschieht und geheim bleibt und solange die

Gefangenen nicht fähig sind, sich zu verteidigen.

"Wer sind diese elenden Gestalten?" fragte der Große Ork.

"Zwerge und dieser Wurm dazu", sagte einer von den

Treibern, riß an der Kette, so daß Bilbo nach vorn auf die Knie

fiel. "Wir fanden sie schlafend in der großen Eingangshalle."

"Was hattet Ihr vor?" fragte der Große Ork, wobei er sich an

Thorin wandte. "Todsicher nichts Gutes!

Spioniert Ihr meine Leute aus? Ich wäre nicht überrascht.

Diebe, Mörder und Elbenfreunde - was denn sonst! Los, was

habt Ihr zu sagen? "

"Zwerg Thorin, zu Euren Diensten!" antwortete er - doch es

war nicht mehr als eine nichtssagende Höflichkeitsformel.

"Von alldem, was Ihr vermutet und Euch vorstellt, entspricht

nichts den Tatsachen. Wir suchten nur in einer brauchbaren und

unbewohnten Höhle Schutz vor dem Sturm. Nichts lag uns

ferner, als Orks zu belästigen." Und das entsprach wirklich den

Tatsachen.

"Hm!", sagte der Große Ork, "Gerede! Darf ich fragen, was

Ihr überhaupt im Gebirge zu schaffen habt und wo Ihr

herkommt und wohin Ihr wollt? Ich möchte alles über Euch

wissen. Zwar - es wird Euch nichts helfen, Thorin Eichenschild,

ich weiß schon viel zuviel über Euer Volk - aber sagt die

Wahrheit, oder ich werde etwas ganz besonders Unangenehmes

Euch anstellen! "

"Wir machen eine Reise, um unsere Verwandten zu besuchen,

unsere Neffen und Nichten und Kusinen ersten, zweiten und

sogar dritten Grades und all die anderen Nachkommen unseres

Großvaters, die auf der Ostseite dieses wirklich gastfreundlichen

Gebirges wohnen", sagte Thorin der im Augenblick nicht wußte,

was er antworten sollte, zumal die Wahrheit offensichtlich

nichts genutzt hätte.

"Er ist ein Lügner, oh, ein unwahrscheinlicher Lügner!" sagte

einer der Treiber. "Mehrere von unseren Leuten wurden in der

Höhle durch einen Blitz erschlagen, als wir diese Kreaturen

einluden, herunterzukommen. Nun sind sie so tot wie ein Stein.

Das hat er noch nicht erklärt!" Er zeigte das Schwert, das Thorin

getragen und das aus dem Trollschatz stammte.

Kaum hatte der Große Ork das Schwert erblickt, als er ein

schauerliches Geheul ausstieß. Alle seine Soldaten knirschten

mit den Zähnen, schlugen an ihre Schilde und stampften mit den

Füßen. Sie kannten das Schwert sofort wieder. Zu jener Zeit, als

die Elben von Gondolin die Orks in den Bergen jagten oder vor

ihren Befestigungen schlugen, hatte es Hunderte von Orks

getötet. Die Elben hatten es Orkrist genannt, Orkspalter, aber die

Orks nannten es einfach "Beißer". Sie haßten es, und den, der es

trug, haßten sie noch mehr.

"Mörder und Elbenknechte". brüllte der Große Ork.

"Zerschmettert sie, zerschlagt sie, zerbeißt sie, werft sie ins

finstere Schlangenloch und laßt sie nie wieder das Tageslicht

sehen!" Er war in einer solchen Wut, daß er vom Sitz aufsprang

und mit offenem Maul auf Thorin zustürzte.

Gerade in diesem Augenblick verlöschten in der Höhle die

Lichter, und das große Feuer ging mit einem Puff in eine Säule

von blau glühendem Rauch auf, die hoch bis unters Gewölbe

reichte und weiße, beißende Funken auf die Orks herabsprühte.

Geschrei und Gejammer brachen aus, Kreischen,

Zähneklappern und Schnattern, Geheul und Gestöhn, Geklage,

Toben und Brüllen; nicht zu beschreiben. Mehrere hundert wilde

Katzen und Wölfe würden, lebendig geröstet, diesen Spektakel

nicht übertroffen haben. Die Funken brannten den Orks in die

Haut, und der Rauch, der vom Gewölbe herabfiel, machte die

Luft so dick, daß selbst ihre Augen nicht hindurchsehen

konnten. Da fielen sie übereinander her und rollten zusammen

über den Boden, beißend und tretend und fechtend, als ob sie

verrückt geworden wären.

Plötzlich flammte in seinem eigenen Licht ein Schwert auf.

Bilbo sah, wie es von Kopf bis Fuß durch den Großen Ork fuhr.

Tot fiel er nieder, und die Orksoldaten flohen schreiend vor

diesem Schwert in die Finsternis.

Das Schwert kehrte zurück in seine Scheide. "Folgt mir

rasch", sagte eine zornige leise Stimme. Und ehe Bilbo verstand,

was geschehen war, rannte er los, so schnell er nur konnte am

Ende der Kette, hinunter in noch dunklere Gänge, und hinter

ihnen wurden die Schreie aus der Orkhalle immer leiser und

leiser. Ein fahles Licht führte sie.

"Schneller, schneller forderte die Stimme. "Die Fackeln sind

rasch wieder angezündet."

"Nur eine halbe Minute!" sagte Dori, ein prächtiger Bursche,

der dicht vor Bilbo am Kettenende rannte.

Er ließ den Hobbit auf seine Schultern krabbeln, so gut es mit

gebundenen Händen ging, und dann fingen sie wieder an zu

rennen unter dem Klincklink der Ketten und mit viel Gestolper,

denn sie hatten ja keine Hand frei, um sich zu stützen. Es

dauerte eine Weile, dann erst hielten sie an. Sie mußten tief im

Herzen des Gebirges sein.

Da zündete Gandalf seinen Stab an. Natürlich, es war

Gandalf. Aber jetzt hatten sie anderes zu tun, als ihn zu fragen,

wie er hierhergekommen war. Er nahm sein Schwert heraus, und

wieder erglühte es im Dunkeln. Jedesmal, wenn Orks in der

Nähe waren, brannte es vor Wut. Nun aber war es eine

leuchtend blaue Flamme aus Freude darüber, daß es den großen

Fürsten der Höhle getötet hatte. Es machte ihm gar nichts aus,

die Orkketten durchzuschneiden und die Gefangenen, so schnell

es ging, in Freiheit zu setzen. Der Name dieses Schwertes war

Glamdring, der Feindhammer, wenn ihr euch erinnert. Die Orks

nannten es bloß "Schläger" und haßten es beinahe noch mehr als

"Beißer". Auch "Orkrist" war gerettet worden; Gandalf hatte es

einem der entsetzten Wachen aus der Hand gerissen.

Gandalf dachte auch an alles. Obgleich er nicht allmächtig

war, konnte er doch für Freunde, die in der Klemme saßen, eine

Menge erreichen.

"Sind wir alle da?" fragte er und gab Thorin das Schwert mit

einer Verbeugung zurück. "Laßt sehen: eins - das ist Thorin;

zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf. Wo

sind Kili und Fili?

Aha, hier sind sie! Zwölf, dreizehn und da ist auch Mister

Beutlin: vierzehn! Gut, sehr gut! Es hätte schlimmer sein

können. Aber es hätte auch ein gut Teil besser sein können.

Keine Ponys, nichts zu essen, keiner weiß, wo wir sind, und

Horden von wütenden Orks hinter uns! Los, es geht weiter!"

Und es ging weiter. Gandalf hatte ganz recht: Sie hörten

Geschrei und schreckliches Gelärm weit hinten in den

Durchgängen, die sie passiert hatten. Das ließ sie rascher laufen

denn je. Und da der arme Bilbo wahrscheinlich kaum halb so

schnell hätte rennen können, Zwerge sind riesig schnell, wenn es

sein muß, das kann ich euch erzählen, nahmen sie ihn

abwechselnd huckepack.

Indessen laufen Orks noch schneller als Zwerge, und vor

allem: Diese Orks kannten den Weg besser (sie hatten die Wege

schließlich selbst gebaut), und schrecklich wütend waren sie

außerdem. So konnten die Zwerge laufen, wie sie wollten sie

hörten das Schreien und Heulen immer näher herankommen.

Bald konnten sie sogar das Patschen der Orkfüße hören, vieler,

vieler Füße, die anscheinend schon die letzte Kehre erreicht

hatten. Roter Fackelschein tanzte hinter ihnen im Tunnel

sterbensmüde waren unsere Zwerge.

"Warum habe ich nur meine Hobbithöhle verlassen!" sagte

der arme Mister Beutlin und bumste auf Bomburs Rücken auf

und nieder.

"Warum habe ich nur einen verrückten Hobbit auf die

Schatzjägerei mitgenommen!" sagte der arme Bombur, der so

fett war, und er taumelte weiter, während ihm der Schweiß vor

Hitze und Entsetzen die Nase heruntertropfte.

In diesem Augenblick blieb Gandalf zurück und Thorin mit

ihm. Sie stellten sich hinter eine scharfe Biegung. "Kehrt!" rief

Gandalf "Zieht Euer Schwert, Thorin Etwas anderes blieb ihnen

auch nicht übrig. Die Orks allerdings waren nicht darauf

vorbereitet. Sie rasten mit vollem Geschrei um die Kehre - und

fanden Orkspalter und Feindhammer kalt und leuchtend gleich

vor ihren erstaunten Augen schimmern. Die an der Spitze ließen

ihre Fackeln fallen und schrien auf, ehe sie niedergestreckt

wurden. Die hinter ihnen schrien noch mehr, sprangen zurück

und stießen mit denen zusammen, die ihnen nachgerannt kamen.

"Beißer und Schläger!" brüllten sie.

Und bald herrschte ein schlimmes Durcheinander, die meisten

hasteten den Weg zurück, den sie gekommen waren.

Es dauerte eine ganz schöne Zeit, bevor einer es wagte, seine

Nase um diese Kehre zu stecken.

Unterdessen waren die Zwerge natürlich weitergelaufen, ein

langes, langes Stück in die dunklen Gänge des Orkreiches

hinein. Als die Orks das merkten, löschten sie ihre Fackeln und

schlichen ihnen auf leisen Sohlen nach. Sie suchten ihre

schnellsten Renner mit den schärfsten Augen und Ohren aus.

Sie rannten los, flink wie Wiesel im Dunkeln, und machten

kaum mehr Geräusch als eine Fledermaus.

So hörten weder Bilbo noch die Zwerge noch Gandalf sie

kommen. Und sehen konnten sie die Verfolger auch nicht. Aber

die Flüchtenden wurden von den Orks, die lautlos hinter ihnen

herrannten, gesehen, denn Gandalf ließ seinen Zauberstab ein

schwaches Licht ausstrahlen, um den Zwergen bei ihrem Lauf

zu helfen.

Ganz plötzlich wurde Dori, der jetzt am Ende lief und Bilbo

trug, von hinten aus dem Dunkel ergriffen.

Er schrie und fiel auf die Nase, und der Hobbit rollte von

Doris Schultern in die Finsternis, schlug mit dem Kopf auf

harten Fels auf und erinnerte sich an nichts mehr.

Rätsel in der Finsternis

Als Bilbo seine Augen öffnete, fragte er sich, ob er sie

wirklich offen hatte, denn es war genauso dunkel, als hätte er sie

noch geschlossen gehalten. Niemand war bei ihm. Stellt euch

seine Angst vor!

Er konnte nichts hören, nichts sehen, und er konnte nichts

fühlen außer den Steinen auf dem Boden.

Er erhob sich langsam und kroch auf allen vieren umher, bis

er die Wand des Stollens berührte. Aber dort konnte er nichts

finden: gar nichts, keine Spur von Orks, keine Spur von

Zwergen. Sein Kopf schwamm vor Benommenheit, und er hatte

keine Ahnung, in welcher Richtung sie gelaufen waren, als er

seinen Sturz tat. Auf gut Glück kroch er ein ordentliches Stück

weiter, bis seine Hand plötzlich auf dem Boden des Stollens

etwas liegen fand - etwas, das sich wie ein dünner Ring aus

einem kalten Metall anfühlte. Und das war ein Wendepunkt in

seinem Leben. Aber er wußte es nicht. Er steckte den Ring in

seine Tasche, ohne sich Gedanken zu machen. Sicherlich, im

Augenblick schien dieses Etwas zu nichts nütze zu sein. Er ging

auch nicht viel weiter, setzte sich auf den kalten Boden und gab

sich völlig seinem grenzenlosen Ele nd hin. Wie schön könnte

ich jetzt zu Hause Eier und Schinken in meiner Küche backen,

dachte Bilbo, denn sein Magen sagte ihm, daß es höchste Zeit

für eine Mahlzeit wäre. Aber das machte ihn nur noch elender.

Er konnte sich weder ausdenken, was er jetzt hätte

unternehmen sollen, noch konnte er sich zusammenreimen, was

geschehen war oder warum sie ihn allein zurückgelassen hatten

oder warum, wenn er nun einmal allein zurückgelassen worden

war, die Orks ihn nicht erwischt hatten. Er konnte sich nicht

einmal erklären, warum sein Kopf so weh tat. Die Wahrheit war,

daß er lange Zeit ohne einen Mucks in einer dunklen Nische

gelegen hatte (aus dem Auge - aus dem Sinn).